claim von gute-banken

Systemrelevanz nach der Krise: Insolvenz ist doch ganz gut.

Oder: Macht kaputt, was Euch groß macht...

 

 

Unter anderem in der Süddeutschen Zeitung vom 28.10.10 wird Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann zitiert. Die Insolvenz von „gescheiterten“ Banken sei doch im Grunde gar keine so schlechte Lösung. Nun muss man sich ja wirklich fragen, welche Banken er damit meinen könnte. Gehen wir mal davon aus, dass er die Deutsche Bank nicht meint. Wen meint er dann? Und warum sagt er so was?

 

Josef Ackermann äußert sich ja nie zufällig über etwas. Wenn er etwas sagt, kommt also immer drauf an, den jeweiligen zeitlichen Kontext zu sehen. Und dieser Kontext könnte in diesem Fall zum Beispiel die Diskussion über den Umgang mit der WestLB sein.

 

Zunächst mal ein Auszug aus der Süddeutschen vom 28.10.10: Unter der schönen Headline „Zarte Banker-Seelen“ heißt es, der Spitzenbanker habe den weiteren Umgang mit angeschlagenen und abzuwickelnden Instituten als eine der größten Herausforderungen für die Kreditwirtschaft genannt.

 

„Es müsse dringend ein System gefunden werden, wie "Banken, die gescheitert sind, geordnet abgewickelt werden können". Eine der Optionen sei die Insolvenz von Banken.“

 

Darüber muss man mal nachdenken. Und wie immer lohnt es sich, ein wenig tiefer zu graben....

 

Um die Äußerungen Ackermanns zu interpretieren, muss man das Gesamtbild aus einer bestimmten Perspektive sehen: Wir haben in Deutschland ja – noch – ein dreigliedriges Bankensystem. Privatbanken, Sparkassen, Genossenschaftsbanken.

 

Banken kann man kaufen, wenn sie privatisiert sind. Und wenn man sie kaufen kann und sie einen Wert haben, wird die deutsche Bank versuchen, sie sich möglichst günstig anzueignen. (Beispiel: Postbank). Günstig wird eine Bank dann, wenn sie in Schieflage gerät. Bisher wurden solche Banken ja noch vom Staat gerettet – vorausgesetzt, sie wurden als systemrelevant betrachtet.

 

Systemrelevanz

 

Wie war das noch mit der Systemrelevanz? Wir erinnern uns vage, dass der Begriff der Systemrelevanz bei der Bankenrettung – also dem Schutz vor Insolvenz - eine Weile lang eine zentrale Rolle spielte.

 

Erste Frage: Welche Banken wurden als „systemrelevant“ bezeichnet bzw. betrachtet?

 

Dazu gibt es eine – wenn auch etwas ältere – „Antwort der Bundesregierung vom 2.7.2007 auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frank Schäffler, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP (Drucksache 16/5665)“:

 

4. Wie definiert die Bundesregierung den Begriff „systemrelevante Institute“?

5. Wie viele Kreditinstitute sind nach Auffassung der Bundesregierung systemrelevant?

Die Fragen 4 und 5 werden zusammen wie folgt beantwortet:

Der Begriff systemrelevante Institute wird nicht gesetzlich definiert. Vielmehr entsteht die Abgrenzung bei der laufenden Aufsicht. Für das Jahr 2006 sind nach Angaben der BaFin in ihrem Jahresbericht 2006 2 Prozent der Institute mit hoher Systemrelevanz und 7,5 Prozent der Institute mit mittlerer Systemrelevanz einzustufen; die übrigen Institute weisen eine niedrige Systemrelevanz auf.

Wie man sieht, ist der in den letzten beiden Jahren vielstrapazierte Begriff, der bekanntlich zu einer nie dagewesenen Belastung des Staatshaushaltes führte, nur unklar definiert gewesen. (Interessant dabei, dass die FDP-Fraktion diese Kleine Anfrage bereits im Jahr 2007 – also noch vor Ausbruch der Krise - stellte.)

Es stellt sich die Frage: Hat Systemrelevanz in einer Welt, die ihr Heil im freien Wettbewerb der Finanzmärkte sieht, überhaupt noch irgendeine Bedeutung? Und wenn ja: Welche?

Hier gab Axel Weber, Präsident der Deutschen Bundesbank, in seiner am 18.5.2010 gehaltenen Rede bei der International Chamber of Commerce (ICC), Berlin, interessante Einblicke:

 

Eine besondere Herausforderung ist hier die Definition und Identifikation von Systemrelevanz. Entgegen der landläufigen Ansicht hängt Systemrelevanz nämlich nicht nur von der Institutsgröße ab. Daneben bestimmen auch die Vernetzung, die Ersetzbarkeit sowie der allgemeine Zustand der Märkte, ob der Zusammenbruch eines Instituts systemische Konsequenzen haben kann. Vor uns liegt also die Aufgabe, Methoden zur Identifizierung von Systemrelevanz zu entwickeln.

Fassen wir diese einfachen Worte mal in noch einfachere Worte zusammen: Systemrelevant ist, wer für die Volkswirtschaft unersetzbar ist, weil er dafür sorgt, dass alles gut läuft. In diesem Sinne waren Sparkassen, Volksbanken und eigentlich auch Landesbanken seit jeher „systemrelevant“. Nur, dass das niemand so recht sehen wollte – weil der Begriff der Systemrelevanz einer Bank nur noch an ihre Aktivität im internationalen Finanzmarkt gekoppelt war.

 

Wird die Systemrelevanz in solch einer Welt selbst zur  Gefahr? Um das beurteilen zu können, müsste man logischerweise die Frage kommen: Von wo ging während der Krise die Bedrohung für den Wohlstand aller aus? Waren „systemrelevante“ Banken die Verursacher der Krise?

 

„Moral Hazard“ und Haftung

 

Um hier eine Antwort zu finden, muss die Frage folgen, ob die so definierte Systemrelevanz immer und automatisch zu dem führt, was Weber den Moral Hazard nennt:

 

Ist nämlich ein Institut als systemrelevant klassifiziert und bekannt, so führt dies zu Moral Hazard Problemen. Das heißt, es entsteht der Anreiz, im Vertrauen auf Stützungsmaßnahmen bei Schieflagen rentablere, aber deshalb auch risikoreichere Geschäft zu betreiben. Daher müssen alle Maßnahmen, die sich auf systemrelevante Institute richten, die Moral Hazard Problematik berücksichtigen.(…) So können nämlich Eigenkapitalgeber und Fremdkapitalgläubiger weiterhin darauf spekulieren, dass sie im Falle einer – durch verschärfte Regulierung zwar unwahrscheinlicher gewordenen aber dennoch möglichen – Schieflage der Haftung entgehen werden. Um dem Moral Hazard Problem umfassend zu begegnen, ist es somit notwendig, die Haftung der Eigenkapitalgeber und Gläubiger nicht vollständig auszuschließen.

 

Auch hier eine einfache Übersetzung dessen, was im Grunde schon einfach ist: Wenn eine Bank aufgrund ihrer technischen Systemrelevanz sich als unsinkbar betrachtet, könnte sie unter bestimmten Umständen auf die Idee kommen, Dinge zu tun, die sie ohne die Rückendeckung durch den Staat nicht tun würde. Es sei denn, dass der Umgang mit zu großen Risiken ihr von ihrem Selbstverständnis her von Natur aus zuwider sein müsste. Den Moral Hazard gibt es in diesem Sinne ja nur dann, wenn die Denkweise der Bank in sich schon „unmoralisch“ ist – oder um es einfacher zu sagen: Wenn sie von Haus aus nicht der Gesellschaft, sondern dem Finanzmarkt und ihren Aktionären verpflichtet ist. Und man sie deshalb gewissermaßen durch staatlich regulierenden Eingriff vor sich selbst schützen muss. Bleibt die Frage, wie dieser Schutz aussehen müsste..

 

Soweit klar? Gut, dann gehen wir den nächsten Schritt...

 

Gewährträgerhaftung 2.0

 

Kurzer Schluss: Wenn eine Bank also einem Moral Hazard unterliegen kann, muss man laut Weber tatsächlich dafür sorgen, dass die Gewährträger (Eigenkapitalgeber und Fremdkapitalgläubiger) dieser Bank für die Aktivität der Bank haften. Das macht – so hört man aus den Worten von Axel Weber – sehr viel Sinn.

 

Nun wird’s aber richtig albern: Denn wer sich noch daran erinnern möchte: Die Landesbanken verfügten tatsächlich bis vor einigen Jahren genau über diese Merkmale. Sie waren insolvenzrechtlich nicht insolvenzfähig und sie verfügten über die Gewährträgerhaftung seitens der Länder. Genau diese Gewährträgerhaftung wurde dann aber durch die geschickte und intensive Lobbyarbeit aufgehoben. Die bis dahin brauchbar ihre Aufgabe der Finanzierung von Großprojekten erfüllenden Landesbanken wurden durch eine Änderung des Insvolvenzrechts für insolvenzfähig erklärt. Dadurch konnten sie ihre Aufgabe nicht mehr so recht erfüllen, weil ihr Rating sank und sie sich nicht mehr so günstig refinanzieren konnten.

 

Der Effekt: Durch den Wegfall der Gewährträgerhaftung wurden sie gezwungen, denselben Blödsinn zu fabrizieren wie die Privatbanken – die meisten von ihnen gerieten wie man weiß in eine extreme Schieflage.

 

Und nun, nachdem dies alles so war wie es war, lernen wir von der Deutschen Bundesbank: Gewährträgerhaftung ist doch eine prima Sache. Na, das hätten wir auch einfacher haben können... Allerdings ist das eine andere Gewährträgerhaftung, als diejenige, die Landesbanken genossen. Denn bei der früheren Form der Haftung ging es um etwas anderes: Um die Erfüllung gesellschaftlicher Aufgaben. Und nicht um freien Wettbewerb und möglichst weitgehende Privatisierung des Bankensystems in Richtung Finanzmarkt.

 

Sparkassen und Genossenschaftsbanken

 

Um es mal einfach zu sagen: In dreigliedrigen deutschen Bankensystem sind zwei Säulen – nämlich Sparkassen und Volksbanken gut durch die Krise gekommen. Das liegt, so könnte man sagen, natürlich auch daran, dass diese Häuser ja aufgrund ihrer Inhaberstruktur und ihrem grundsätzlich anderen Auftrag praktisch unsinkbar sind. Sie definieren sich nicht in erster Linie über ihren Gewinn, sondern über die Verantwortung für ihre Regionen. Sie sind per Definition nicht nur sich selbst verantwortlich und erfüllen eine dienende Funktion. Obwohl sie aufgrund der überschaubaren Größe der Einzelinstitute nie als „systemrelevant“ bezeichnet wurden sind sie es ja doch immer gewesen: Sie haben vor und nach der Krise die Kreditversorgung für den Mittelstand sichergestellt. Und sie sind tatsächlich unersetzlich...

 

Landesbanken

 

Wie ist es mit den Landesbanken? Die haben aufgrund der jüngeren Geschichte tatsächlich das Problem, dass sie nicht mehr so recht unersetzlich sind. Daher die allgemein bekannte Diskussion darüber, was mit ihnen geschehen soll. Und daher rührt wohl auch die etwas abrupte Äußerung von Ackermann, dass eine Insolvenz für gescheiterte Banken doch eine gute Lösung sei. Denn offenbar will er damit im Hinblick auf die sich absehbar zuschärfende Situation der WestLB sagen: „Stellt Euch nicht so an – eine Insolvenz ist doch eine prima Sache.“

 

Ob und wie er sich hinterher an der Insolvenzmasse bedienen würde, sagt er natürlich nicht dazu. Man könnte die Frage stellen: Ist in den Landesbanken denn überhaupt noch irgendein Wert enthalten, für den man sich interessieren könnte? Die Antwort darauf gibt Heinrich Haasis in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung (Headline „“25% Rendite ist nicht unser Ziel“ vom 24.9.2009):

 

Landesbanken haben bei Unternehmenskrediten einen Anteil von über 20 Prozent. Das ist systemrelevant, gerade heute, wo die Unternehmen dringend Kredite brauchen.

 

Landesbanken waren und sind systemrelevant. Sie wurden aber durch die gute Lobbyarbeit der Privatbanken immer weiter privatisiert und insolvenzfähig gemacht. Dadurch sind sie angreifbar geworden. Und nun heißt es plötzlich: „Na, lass sie doch insolvent werden.“

 

Insolvenz-Beispiel Lehman

 

Daher weht also wohl der Wind: Der Zugang zu 20 Prozent der Unternehmenskredite steht auch für den Zugang zu 20 Prozent der Unternehmen. Man darf also gespannt sein, welche Teile der WestLB sich die Deutsche Bank über welche dunklen Kanäle zum Schrottpreis einvernehmen würde....

 

Insolvenz bedeutet ja im Allgemeinen nicht notwendigerweise, dass alle Werte auf Null gestellt werden. Dass man sich bei Insolvenzen sehr gut die Filets aus der Insolvenzmasse heraustrennen kann, zeigte auch der Fall Lehman Brothers als markanteste Insolvenz einer Bank. Was man im Grunde nie liest: Lehman hörte ja nicht auf zu existieren: Lehman Brothers North America wurde von Barclays übernommen. Und Lehman Brothers Asia Pacific verleibte sich die japanische Großbank Nomura ein....

 

Fazit:

 

Dass es der Deutschen Bank um Wachstum geht, macht Ackermann – ganz Staatsmann – im genannten Artikel der Süddeutschen deutlich:

 

In der Finanzkrise hätten sich in vielen Staaten hohe Schuldenberge aufgetürmt. (…) "Wir müssen uns primär mit Wachstum aus der Situation herausarbeiten."

 

Hier schließt sich der Kreis. Ackermann ist kein Politiker. Er ist der Vorstand der Deutschen Bank und einer der wildesten Vertreter und Verfechter der privaten Finanzwirtschaft, die keine Grenzen kennt. Und die durch Lobbyarbeit dafür sorgen will, dass mit den Sparkassengesetzen der einzelnen Länder nicht nur die Landesbanken, sondern auch die Sparkassen für privates Kapital geöffnet werden.

 

Ackermann will Geschäft und Marktanteile. Die Frage, an wessen Wachstum er denkt, sollte sich also selbst beantworten. Man darf also gespannt bleiben, wie er sich neben den Postbank noch weitere Marktanteile diesseits und jenseits deutscher Grenzen sichern wird ...

 

Was können wir tun, außer interessiert zusehen und gespannt abwarten? Es würde sich natürlich auch anbieten, unsere Bänker mal zu fragen, was sie so darüber denken, also z.B.

 

was sie von Privatisierungs-Ideen wie dem Sparkassengesetz halten

wie sie damals den Wegfall der Gewährträgerhaftung gesehen haben

welche Haltung ihre Bank bezüglich der Zukunft der Landesbanken einnimmt

 

Dabei sollte wie immer gelten: Wenn uns die Antworten gefallen, bleiben wir bei der Bank. Und wenn nicht, suchen wir uns eine, die bessere Antworten findet.

 

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