claim von gute-banken

Wie viel muss man über Börse und Aktien wissen? Oder: Wirtschafts- oder Gemeinschaftskunde?

In einem Kommentar postuliert die FAZ („Jugendliche wissen zu wenig über Wirtschaft“ 29.8.15), dass die „Wirtschaftsbildung“ heute „zentral“ sei. Als Beleg dafür wird angeführt, dass manche ökonomische Themen bei der regelmäßigen Lektüre „einer guten Zeitung“ (sicherlich der FAZ) über Monate hinweg bedeutender seien als (fast) alle anderen Themen. Da fragt man sich schon zwei Dinge: Ist das, was häufig in der Zeitung steht, wirklich immer „zentral“? Und lernen die jungen Menschen denn wirklich nichts oder nicht genug über „Wirtschaft“?

In einem System, das an den „homo oeconomicus“ glaubt, hat die Autorin des Artikels in der Tat recht: Die jungen Menschen sollten tatsächlich besser verstehen, wie die Börse heute funktioniert und welche Funktion die Geldpolitik hat.

Der Artikel nennt dafür sogar einige handfeste Gründe. Er nimmt auch Bezug auf die politischen Implikationen, auf die sich die ökonomischen Bedingungen einer Gemeinschaftswährung auswirken können. Alles gut.

Allerdings lässt er sowohl die Ursachen der Krise als die medialen Implikationen und Wechselwirkungen aus, die es da gibt – und über die wir schon verschiedentlich geschrieben hatten.

Dabei geht es vor allem auch um eine Tatsache, die uns ohnehin schon seit Jahren wundert:

Stell Dir vor, es ist Börse und keiner guckt hin

Wir werden in Deutschland schon seit 1987 mit Börsenfernsehen versorgt (in diesem Jahr wurde ziemlich direkt nach der Öffnung von Radio und Fernsehen für private Anbieter die „Telebörse“ gegründet). Dennoch ist die Zahl der Aktienbesitzer laut dem Deutschen Aktieninstitut trotz stetig steigendem DAX nicht nach oben geschossen. Im Jahr 2014 ist sie sogar um eine halbe Million gesunken. Damit seien gerade mal 6,4 Prozent der Bevölkerung direkte Aktionäre.

Die „zentrale“ Bedeutung und Frequenz bestimmter Meldungen in „guten Medien“ ist ganz offenbar nicht notwendigerweise ein Ausweis für irgendetwas bestimmtes, besonders relevantes. Das Thema ist an sich für die Deutschen nicht relevant.

Aber die Entwicklung des DAX müssen sich tägliche alle ansehen, die irgendwie medial verflochten sind. Übrigens auch die Leser des FAZ-Artikels, in dessen Randspalte:

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(Quelle: FAZ-Online Screenshot am 30.8.15, 21.30 Uhr).


Basis: Jugendstudie der Privatbanken

Naja, sei es wie es sei. Wäre da nicht auch noch der Umstand, dass der Artikel seine Position mit der am 20.7. 2015 vorgestellten „Jugendstudie 2015“ des Bundesverbandes der privaten Banken fundiert. Dass ausgerechnet dieser Verband, der sich selbst gerne vollmundig Bundesverband deutscher Banken nennt, nicht wie die Sparkassen den „Sparsinn“ der jungen Menschen im Auge hat, ist eben ein Verdacht den man haben könnte.

Allerdings werden selbst bei dieser Umfrage unter Jugendlichen zwischen 14 und 24 die Dinge nicht so heiss gegessen, wie sie gekocht werden:

In der 2015er Jugenstudie habe sich nämlich auch nur „rund ein Drittel (34%) der Jugendlichen und jungen Erwachsenen“ ein starkes oder sehr starkes Interesse an ökonomischen Themen gezeigt. Aber immerhin sei das ein deutlicher Anstieg gegenüber 2012, als sich nur „rund ein Fünftel“ dafür interessierte.

Die irgendwie schon drollige Begründung für das geringere Interesse im Jahr 2012: Damals hatten sich „die komplexen und schwer verständlichen Finanzkrisenthemen nachteilig auf das Wirtschaftsinteresse ausgewirkt.“.

Tja, das ist natürlich fatal: Die von den "Märkten" ausgelöste Finanzkrise steigerte das Interesse an Wirtschaft also gar nicht. Sondern machte sie noch uninteressanter…

Hinzu kommt: Unter „Wirtschaftsthemen“ laufen richtigerweise auch ganz banale Themen wie „Steuern, Miete oder Versicherungen“.

Naja, sei es immer noch, wie es sei…

Wird in Deutschland wirklich keine Wirtschaft unterrichtet?

Wir haben uns natürlich auch gefragt: Lernen die Schülerinnen und Schüler heute denn wirklich so gar nichts über die Funktion des ökonomischen Systems? Wenn man Wikipedia und auch seiner eigenen Erinnerung glauben darf, ist das ja gar nicht der Fall.

Richtig ist laut Wikipedia: Die Wirtschaftskunde ist in keinem Bundesland (bis auf Schulen mit Wirtschafts-Schwerpunkt) ein eigenständiges Fach. Sie wird meist im Verbund mit Themen wie Politik, Geschichte, Sozialkunde etc. zusammengefasst. Und das ist wohl auch gut so.

Das Ganze läuft dann unter dem Begriff „Gemeinschaftskunde“. Und ganz ehrlich: Je länger man über diesen Begriff nachdenkt, desto besser gefällt er einem… Oder?

 

 

 

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Kommentare

Kommentare 

+1 # Autor 2015-09-02 11:50
Wirtschaftskund e sollte über Börse und Aktien hinausgehen. Nicht alles, was Menschen brauchen, wird von börsennotier ten Unternehmen erzeugt. Wir sollten unseren Horizont wieder auf die gesamte Wirtschaft weiten. Genossenschafte n sind für die Grundbedürfnisse genauso wichtige Akteure. Es gibt weit mehr Mitglieder bei Genossenschafte n als Aktieninhaber. Die Fixierung auf Wettbewerb und Markt ist einseitig. Der Einkaufspreis geht möglicherwei se runter, aber sagt nicht die Wahrheit, weil auf Kosten von sozialen- und Umweltstandards produziert oder gedienstleistet wird. Dann gibt es noch den wichtigen ehrenamtlichen Sektor, der eigentlich in den Leistungen, die in der Familie erbracht werden schon beginnt.
Die Fixierung auf das Monetäre muß gelöst werden, indem wieder die Sinn-Frage gestellt wird. Mit Sinn kann nicht bloß gemeint sein: kurzfristig Gewinn machen.
Mit dieser Sinn-Frage im Hintergrund kann mensch dann meinetwegen an die Börse gehen und bemerken, wie weit von der Idee des Marktes, auf dem eine Aktie ge-/verkauft werden kann, das Geschehen dort mittlerweile entfernt ist. Hight Speed Trading hat nur den einzigen Sinn, langsame andere zu übervorteil en und zwar nicht nur durch höhere Geschwindigkeit , sondern auch durch Fake-Angebote.
Letztendlich gehört auch zur "financial literacy", wie mensch mit seinen eigenen Finanzen umgeht. Hunderte APPs für Budgets und Ausgabenverfolg ung sprechen davon. Bei PINTEREST gibt es unzählige Vorschläge für das beste Budget und die besten Einsparvorschläge auf allen Gebieten des Alltags. Seiten wie http://www.meingeldreicht.ch/ sprechen von dem Bedarf, der besteht.
Letztlich sind nur finanziell "gesunde" Kunden auch gute Kunden für eine Bank. Für die Kreditseite ist das klar, für die Einlagenseite haben die Banken das noch nicht so richtig begriffen. Denn Gesundheit heißt auch Autonomie, und autonomen Kunden kann nicht alles aufgeschwätzt werden.
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