claim von gute-banken

Keine Sehnsucht nach Fusionen. Oder: Warum man gar nicht genug kleine Banken haben kann.

Wenn man so in den Wirtschaftsmedien herumliest, denkt man manchmal an den schönen Satz Einsteins: „Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.“ Diese Assoziation drängt sich auch bei einem Artikel im Manager-Magazin („ Geldhäuser träumen, Sparkassen schimpfen: Warum Europas Banken sich nach Fusionen sehnen“, 31.08.16) auf ...

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In diesem Artikel wird vollmundig über eine bevorstehende Welle „von Übernahmen und Zusammenschlüssen unter den europäischen Banken“ gesprochen. Die in der Überschrift verwendete „Sehnsucht“  taucht übrigens im gesamten Text nicht mehr auf.  Stattdessen werden dazu der Deutsche-Bank-Chef John Cryan und der Vorstand der Commerzbank Martin Zielke zitiert, die mit der üblichen kühlen Rationalität die Notwendigkeiten für ihre Häuser vortragen. Sie sehen sich nicht – sie verlangen es geradezu.:

Gebraucht, heißt es, würden weitere Zusammenschlüsse auch auf europäischer Eben. Nur dann könne man „wirtschaftlich arbeiten“. Und überhaupt müsse die Kleinstaaterei in Europa aufhören. Weil es einfach „zu viele Banken“ gebe.

Was soll man davon nun schon wieder halten? Eines ist klar: Ja, wir haben gerade in Deutschland viele Banken. Und alle Probleme haben derzeit die selben Probleme: Niedrigzins, Fristentransformation, erhöhter Dokumentations-Aufwand, etc. Dazu sollte man aber auch sagen: Nicht alle haben diese Probleme verursacht.

Bestandsaufnahme

Für diesen Unterschied gibt es in der Amtssprache übrigens sogar eigene Begriffe. Sie erinnern sich an das Buzzwort „systemrelevant“? Genau: Das waren die Banken, deren Hebelwirkung zu groß und zu gefährlich geworden war. Die heißen auf amtsenglisch jetzt SIB (Systemically Important Banks).

Um die „SIB“ von anderen Banken unterscheiden zu können, hat man sich für die anderen Banken einen eigenen Namen ausgedacht: Sie sind „LSI“ – und das steht drolligerweise für „less significant institutions“. Auf deutsch heißt das soviel wie: Sie sind weniger signifikant, weil sie nicht so viel kaputt machen können – weil sie z.B. viel zu klein sind, um irgendein globales oder europäisches Problem zu erzeugen.

Wir haben viele Banken, weil wir viele KMU haben

Wir sind nicht zuletzt auch deshalb wirtschaftlich gut aufgestellt, weil wir traditionell eine funktionierende mittelständische Unternehmens-Landschaft haben. Laut dem Institut für Mittelstandsforschung, Bonn im Jahr 2013 stellten die „kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) im Jahr 2013

  • 59,2% aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten
  • 82,2% aller Auszubildenden
  • 55,5% der gesamten Nettowertschöpfung der deutschen Unternehmen bei

Um die "Signifikanz" der regionalen Häuser zu sehen, muss man im Grunde nur die Frage stellen: Wer versorgt die insgesamt ca. 3,4 Millionen kleineren Unternehmen vor Ort mit Krediten und Liquidität? Das sind eben vor allem all die vielen kleinen Häuser, die den Unternehmer noch wirklich kennen und ihn nicht nur nach Aktenlage beurteilen.

Viele kleine Banken zu haben, ist eine Stärke

Diese Banken und Sparkasse mögen klein sein. Aber sie sind viele. Und das ist auch das, was unser Bankensystem von anderen unterscheidet. Laut der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) kommt fast die Hälfte der von der „einheitlichen europäischen Finanzaufsicht“ (Single Supervisory Mechanism – kurz SMM) erfassten „LSI“ im Euro-Raum aus Deutschland.

Die Märkte nehmen die 1000 Genossenschaftsbanken und 400 Sparkassen trotzdem nicht ernst. Das kann man verstehen: Diese LSI mögen zwar aus der Sicht der Regulierer und auch der Märkte nicht so „signifikant“ sein. Wie sollten sie auch:

Laut Deutschem Aktieninstitut lag der Anteil der Aktionäre oder Aktienfondsbesitzer in Deutschland im Jahr 2015 bei gerade mal 14%. Man konnte es schon oft lesen: Offenbar ist den BankkundInnen in Deutschland die Rendite nicht gar so wichtig. Sie haben gigantische Beträge auf ihren Konten, als Festgeld oder Tagesgeld bei der Bank liegen.

Less Significant bedeutet aber noch lange nicht, dass sie „ohne Bedeutung“ wären – aus der Sicht ihrer Kunden und Regionen und auch der deutschen Volkswirtschaft sind sie es offenbar schon.

Das Problem der Großen: Sie hätten gerne das Geschäft der Kleinen

Der Verdacht liegt nahe: Wenn sich ausgerechnet die Vorstände der beiden deutschen Großbanken über die Vielfalt der Banken beschweren, könnte das auf Deutschland bezogen einen einfachen Grund haben: Der Wettbewerb ist ihnen zu heftig. Sie kommen nicht richtig durch. Und nachdem die Einnahmen im internationalen Investment Banking unterm Strich offenbar fast mehr gekostet haben, als sie brachten, würden sie nun wohl gerne mehr Geschäft mit Privatkunden und KMU machen. Warum eigentlich?

Wen interessieren Kunden wenn die Investoren unzufrieden sind?

Der Artikel des Manager Magazins gibt hier nicht etwa die gesellschaftliche Bedeutung der Versorgung des Mittelstandes und der Menschen mit Liquidität als Grund an. Sondern schlicht: „ Bei den deutschen Großbanken ist die Lage besonders brisant, sie fallen im internationalen Vergleich in Sachen Rendite und Börsenwert immer weiter zurück.“

Auf deutsch: Bei der Forderung nach Fusionen geht es nicht um Kunden und Gesellschaft, sondern um Börsenkurse – die wir zwar jeden Tag unausweichlich im Fernsehen vorgeführt bekommen, aber wie gesagt trotzdem ignorieren.

Wer große Banken will droht Kunden zum Objekt zu machen

Nun ist es an der Zeit, mal einen kleinen Exkurs zu machen: Wenn Großbanken fusionieren und andere Banken kaufen, dann tun sie das in der Regel schon auch deshalb, weil sie die Kunden haben wollen. Allerdings gilt dann schon auch: Je größer die Basis ist, desto geringer ist die Rolle des einzelnen Kunden. Er hört auf, wichtig zu sein. Man kennt ihn nicht mehr. Er wird in diesem Sinne vom Subjekt zum Objekt gemacht – eingeteilt in Kundenklassen, in seiner Wirtschaftlichkeit für die Bank berechnet. Und im Zweifelsfall gekündigt (dazu hatten wir schon verschiedentlich geschrieben).

Ja, es gibt auf Grund der durch die Krise ausgelösten Niedrigzinsen und gewachsenen regulatorischen Aufwendungen auf bei den regionalen Banken eine steigende Anzahl von Fusionen. Es steht zu hoffen, dass diese aus der Not geborene Tatsache nicht zu dem führt, was der Präsident des Deutschen Sparkassen und Giro-Verbandes Georg Fahrenschon in dem Manager Magazin als Grund gegen Fusionen nannte: „…dass zu große Kreditinstitute (…) sich von ihren Kunden entfernten – und dass genau das eben auch "Gift für die Stabilität von Finanzmärkten" sei.

Fazit:

Wir haben in Deutschland so viele kleine Banken, weil wir (noch) Kontakt zur Realität haben. Das ist wohl auch deshalb so, weil Börsen-Rendite und Profitmaximierung in Deutschland einfach nicht alles ist.

Wir verdienen unser Geld im Wesentlichen mit Wertschöpfung. Und das ist auch gut so.

 

 

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