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Durch die Bank geblendet: Warum Landesbanken so eifrig spekuliert haben.

Hier geht es um die legitime Frage eines unserer Leser, warum denn gerade die Landesbanken sich so trefflich an den Spekulationen im amerikanischen Verbriefungs- und Subprime-Kreditmarkt (Collateralized Debt Obligations) beteiligt und Verluste im großen Stil gemacht haben. Die Antwort darauf hat nichts mit Schuld zu tun. Eher mit allgemeiner Verblendung.

Es ging ausreichend durch die Presse: Die Landesbanken waren nicht unwesentlich auf der gewinnbringenden Spielwiese des Verbriefungsmarkts aktiv. Ebenso wie zahlreiche private Großbanken holten sie sich ordentlich blutige Nasen. Nun kann einer wirklich sagen: Bei den privaten Banken kann man’s ja verstehen. Die sind nur auf Gewinn aus und haben ein entspanntes Verhältnis zum Risiko. Aber was trieb die Landesbanken dazu, sich in die Herde der Spekulanten einzureihen? Es gibt hier, wie man sehen wird, eine einfache Antwort: Weil offenbar keiner mehr wusste, dass es auch im Geldgeschäft nicht ums Geld geht, sondern um den gesellschaftlichen Nutzen, den es stiften kann. Das Finanzmarktvirus hatte sie alle ergriffen.

Wie immer lohnt es sich, ein wenig tiefer zu graben...

2005: Wegfall der Gewährträgerhaftung

Bis zum Jahr 2005 hatten die Landesbanken nominell einen Status, der sie von anderen Banken unterschied. Als Teil-Eigentum der Länder hatten sie eine relativ klare Funktion: Sie sollten als Instrumente zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung in den Ländern dienen. Sie reichten Kredite an Unternehmen aus, die für die einzelnen Sparkassen zu groß waren. Sie finanzierten Großprojekte. Das hatte auch etwas mit dem Konzept der sozialen Marktwirtschaft zu tun.

Dies spiegelte sich auch in ihrem Status wieder: Durch die unmittelbare Eignerschaft der Länder galt bei ihnen die sogenannte Gewährträgerhaftung. Das heisst soviel wie: Der Staat verpflichtet sich, bei Gläubigern für eventuelle Verluste gerade zu stehen. Wenn sich die Landesbanken also selbst Geld liehen, machte sie die Gewährträgerhaftung gewissermaßen unbegrenzt kreditwürdig. Das sorgte für gute Ratings und günstige Zinsen. Und das missfiel natürlich den Privatbanken. So wurde im Jahr 2001 per EU-Verordnung beschlossen, dass die Gewährträgerhaftung bis zum Jahr 2005 in Deutschland abzuschaffen ist. Dass eine Landesbank eigentlich keine Bank wie jeder andere ist, weil sie vom Ansatz her eindeutig gesellschaftlichen Zwecken dient, wurde nicht gesehen. Die Folge der Abschaffung der Gewährträgerhaftung: Die Kreditwürdigkeit der Landesbanken sank, die Zinsen stiegen, der Wettbewerbsvorteil, den sie hatten, schwand dahin. Obwohl ihre Bestimmung eine andere war, wurden sie zu normalen Geldinstituten gemacht. Wie sich zeigen sollte, waren sie keine. So schrieb die FAZ schon am 16.12.2007 unter der Überschrift „Die Landesbanken suchen nach Geschäftsmodellen“:

Daher kamen einzelne Landesbanken wiederum auf die Idee, anderswo nach lukrativen Geschäften Ausschau zu halten, was im Fall der Sachsen LB zu einem überdimensionierten und offenbar nicht richtig verstandenen Engagement am amerikanischen Immobilienmarkt führte, das der Bank nun den Boden unter ihren Füßen wegzieht. 

Aufsichtsräte: Bänker, Politiker, Arbeitnehmervertretung

Man sieht also, dass das Problem struktureller Natur ist. Es besteht auf dem Denkfehler, dass man eine Bank, die gezielt und ohne große Gewinnabsicht für Wachstum im Land sorgt, nicht einfach zu einer ganz normalen Geschäftsbank macht kann. Der Denkfehler war offenbar weit verbreitet und wurde deshalb nicht gesehen. Auch nicht von den Aufsichtsräten: Jede Bank – auch Landesbanken – haben Kontrollgremien, die in mindestens zwei Sitzungen pro Jahr die Aufsicht über das haben, was gemacht wird. Wer ist das eigentlich?

Nehmen wir als erstes Beispiel die Landesbank Berlin. In Ihrer Satzung vom 24.6.2009 steht in §6:

(1) Der Aufsichtsrat besteht aus 16 Mitgliedern. Er setzt sich nach den Vorschriften des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer vom 04.05.1976 (MitbestG) in seiner jeweils gültigen Fassung aus je acht Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer zusammen.

Diese Zusammensetzung bildet die übliche Struktur ab. Auf der Anteilseignerseite sitzen naturgemäß meist auch Sparkassen-Vorstände, der Vorstand der Sparkassenorganisation – und nicht zuletzt auch zuständige Finanzminister der jeweiligen Länder. Die Aufsichtsräte stimmen bei Beschlusslagen ab. Das hat zum Beispiel die Bremer Landesbank / Kreditanstalt Oldenburg - Girozentrale – in ihrer Satzung vom 9.1.2009 folgendermaßen geregelt:

(4) Die Beschlüsse werden, soweit im Gesetz oder in dieser Satzung nichts anderes bestimmt ist, mit einfacher Stimmenmehrheit gefasst; bei Stimmengleichheit gilt ein Beschlussvorschlag als abgelehnt.

Diese beiden Satzungsauszüge reichen – ceteris paribus – um feststellen zu können: Mindestens 50% der Aufsichtsräte müssen jeweils immer wieder genickt haben. Wahrscheinlich waren es aber sehr viel mehr als 50%. Warum?

Glauben heißt nicht wissen

Sind Politiker, Sparkassenleute und Betriebsräte so durchgeknallt, dass sie nicht sahen, dass die Kombination aus Hebelgeschäften und schwankenden Märkten gewaltige Risiken bergen muss? Die richtige Antwort lautet wohl wirklich: Sie haben alle geglaubt, dass es funktionieren wird. In einer dieser unsäglichen Fernseh-Talkshows trumpfte schon vor drei Jahren einmal ein Finanzminister  (dessen Name dem Autor leider entfallen ist) in seiner Funktion als Aufsichtsrat einer Landesbank sinngemäß: „Das ist doch klar – der Sinn einer Bank ist es, Geld zu verdienen!“ (Der Autor dieses Artikels hätte ihn damals schon dafür würgen können). Nein, es ist schon so: Der Glaube an die Zauberkräfte des Finanzmarkts war unerschütterlich und tief eingebrannt in die Denkweisen aller Beteiligten. Damit stehen sie aber eben nicht allein. Denn das Ganze war auch politisch gewollt und von langer Hand vorbereitet:

Im Jahr 2002 berichtet der Deutsche Bundestag stolz darüber, dass er als erstes Parlament der Welt eine Kommission eingerichtet hat, die sich systematisch mit den Fragen der Globalisierung beschäftigt: die Enquete-Kommission „Globalisierung der Weltwirtschaft – Herausforderungen und Antworten. In ihrem Schlussbericht vom 13. Mai 2002 zeigt sich, dass es damals noch sehr unterschiedliche Haltungen über die Bedeutung des Finanzmarktes gab: So ist in Punkt 11.1.7  zum Thema „Minderheitsvoten der CDU/CSU zu speziellen Kapiteln und Handlungsempfehlungen des Mehrheitsberichts:“ (die Mehrheit war damals noch rotgrün) zu lesen:

a)   liberalisierte Finanzmärkte

Die Mehrheitsmeinung geht davon aus, dass die Globalisierung der Finanzmärkte für eine Vielzahl von Fehlentwicklungen und Krisen der Weltwirtschaft verantwortlich zu machen und deshalb einzuschränken und zu kontrollieren sei. Deregulierung und Liberalisierung der Finanzmärkte gelten als gefährlich und als Ursache von Finanzkrisen.

Die CDU/CSU-Gruppe betont dagegen die durchweg positiven Auswirkungen der Liberalisierung der Finanzmärkte. Sie bewirkt z.B., dass

–    Kapital seiner produktivsten Verwendung zugeführt werden und damit eine wachstumssteigernde Wirkung entfalten kann.

–    kapitalsuchende Marktteilnehmer nicht nur auf ihre nationalen Märkte beschränkt bleiben bzw. verzerrte Preise zu zahlen haben.

–    „privates Kapital mittlerweile für eine zunehmende Zahl von Entwicklungs- und Schwellenländern zur dominierenden Finanzierungsquelle geworden (ist)“ (Deutsche Bundesbank 2001d: 17)

–    Investitionsrisiken auf verschiedene Marktteilnehmer verteilt werden können.

–    gesamtwirtschaftliches Angebot und Nachfrage zu niedrigen Preisen einen Ausgleich finden und die Auswahlmöglichkeiten der Marktteilnehmer reichhaltiger werden.

–    kurzfristige Schwankungen des Sozialproduktes durch Kapitalimporte bzw. -exporte ausgeglichen werden können.

–    die Effizienz nationaler Finanzsysteme erhöht wird 

Ganz offenbar waren zu dieser Zeit vor allem die Christdemokraten von der Wunderkraft des globalen Finanzmarktes überzeugt  - und hätten ihn gerne für ihre liberalen politischen Zwecke instrumentalisiert. (Die andere politische Seite war von dieser mentalen Malaise auf die Dauer aber auch nicht unberührt. Das Virus erfasste alle.) Das Problem besteht – wie sich heute zeigt – darin, dass man ohne Absprachen niemanden so einfach instrumentalisieren kann. Wenigstens nicht ohne einen Preis zu bezahlen. Diese Denkweise dürfte das eigentliche Problem darstellen. Sie – wir – waren alle durch die Bank geblendet von der scheinbaren Endlosigkeit des zur Verfügung stehenden Kapitals. Und deshalb handelten die Landesbanken mit einem klaren inneren und äußeren Auftrag. Sie sollten Geld beschaffen.

Boston Consulting als Polit-Berater

Die Verblendung komplettierte sich offenbar im Januar 2004 – so schreibt es wenigstens das Magazin Capital vom 5.8.2009:

Im Finanzministerium trifft eine vertrauliche Studie mit der Projektnummer 16/03 ein: "Optimale Rahmenbedingungen für einen Verbriefungsmarkt". Minister Eichel hatte die Berater der Boston Consulting Group damit beauftragt. Ihre Empfehlung: "Leistungsgestörte Kredite verbriefen". Problematische Forderungen sollen "an Abwicklungsgesellschaften verkauft werden, die sich ihrerseits über Verbriefungen refinanzieren." Ganz offen erklären die Berater, dass die Banken mit diesem Dreh weniger Eigenkapitalpuffer halten müssen. "Regulatorische Kapitalentlastung" nennen sie das. Die Studie legitimiert den Verbriefungszirkus als finanzpolitisches Programm.  

Ganz offenbar ist es wirklich so, dass die Politik in ihrer Gesamtheit der Logik des Finanzmarkts verfallen war – halb zog er sie, halb sank sie hin. Boston Consulting hat mir Verlaub gesagt soviel mit gesellschaftlichem Denken zu tun wie ein Waldbrand mit Willi Brand. Das ist die typische Großberaterstrategie – schaffe einen scheinbaren Vorteil für den Kunden, egal was - Hauptsache es hat mit Geld zu tun. Egal...

Und so konnte es geschehen: Die Eigenkapitalregelungen, die eigentlich ein Beitrag zur Solidität der Gesellschaft sein sollen, wurden zum Spielball gemacht. Ähnliches zeigt auch das von Jörg Asmussen, damals Ministerialdirektor, Bundesministerium der Finanzen, Berlin, im Jahr 2006 veröffentlichte Papier “Verbriefungen aus Sicht des Bundesfinanzministeriums (1016 / S. 10 · 19 / 2006 Kreditwesen), in dem er sich aber so was von deutlich für das Handeln mit Sicherheiten (Asset Backed Securities) ausspricht:

„Dabei war uns stets wichtig, dass sich auch der Markt für Asset Backed Securities (ABS) in Deutschland stärker als bislang entwickelt. Für andere EU Mitgliedstaaten und für die europäischen Kapitalmärkte ist der ABS-Markt mit seiner Dynamik und Vielseitigkeit geradezu zu einem prägenden Element geworden. Allmählich scheinen aber auch in Deutschland die gemeinsamen Bemühungen der Politik und der Kreditwirtschaft die erwarteten Früchte zu tragen. Das deutsche Emissionsvolumen wächst und über ABS wird zudem ein steigender Beitrag – gerade im ersten Halbjahr 2006 – zur Finanzierung der mittelständischen Wirtschaft geleistet.“

Eine perfide Logik, die offenbar von zwei Dinge ausgeht: Wo man Geld verdienen kann, muss man mitspielen – und wenn Geld verdient wird, gibt es auch Geld für Kredite an den Mittelstand. Offenbar funktioniert das aber nicht.

Haben die Sparkassen einen Anteil?

Soviel zur Politik. Nun stellt sich natürlich die Frage, ob und wie sehr die Sparkassen- bzw. die Sparkassenorganisation zu den Treibern bei der großen Jagd der Landesbanken nach dem großen Spielgeld waren. Die Antwort darauf weiß wohl nur der Wind. Es ist nicht auszuschließen, dass sich selbst nüchternste Sparkassenvorstände vom Virus hatten anstecken lassen. An diesem Verblendungszusammenhang ändern auch kluge Herleitungen nichts, wie sie zum Beispiel schon am 20.10.2008 im Spiegel Online zu lesen war:

Martin Faust, Bankenexperte an der Frankfurt School of Finance & Management,(...): Der Anteil, den Sparkassen an den Landesbanken halten, hat sich in den letzten Jahren massiv erhöht, der Anteil, den die Bundesländer halten, ging merklich zurück. "In der Folge müssen Landesbanken ihre Dienstleistungen den Sparkassen zu besonders günstigen Konditionen zur Verfügung stellen." Das Geschäftsmodell der Landesbanken sei dadurch weiter ausgehöhlt worden. "Der verstärkte Einstieg in die riskanten internationalen Finanzmärkte war so gesehen auch eine Flucht nach vorn", sagt Faust.

Auch diese Logik ist im Grunde perfide. Weil es ja immer nur darum geht, möglichst viel Geld zu machen, seien die Landesbanken ja gezwungen gewesen, diese Geschäfte zu machen. Nein, daran sind die Sparkassen nicht schuld. So etwas kann - mit Verlaub – auch nur ein Bankenexperte von der Frankfurt School of Finance and Management von sich geben. Wirtschaftliche Ethik und gesellschaftliche Logik ist nicht sein Metier.

 

Fazit:

 

Was bleibt zu sagen – und was bleibt zu tun? Begründetes Vertrauen in die eigene Bank sollte man schon haben. Fragen Sie also ihre Bank,

 

  1. ob sie selbst mit Asset Backed Securities oder Collateralized Debt Obligations handelt (wenn Sie diese Worte nicht aussprechen können, fragen Sie Ihre Bank einfach, ob sie selbst mit Krediten am Kapitalmarkt handelt oder solche Papiere verkauft hat)
  2. ob sie bei der Geldanlage mit Hebelgeschäften arbeitet
  3. wie sie selbst den Handel mit komplexen Finanzprodukten beurteilt

 

Es gilt wie immer: Wenn Ihnen die Antworten Ihrer Bank gefallen, dann bleiben Sie dort. Wenn nicht, wechseln Sie einfach!

 

Zum Schluss noch eine kleine Fundsache: In Ihrem Papier zur Corporate Governance also dem Regelwerk zum korrekten Verhalten - schreibt die HSH-Nordbank im Mai 2008, an welchen Punkten sie von den Vorgaben abweicht:

 

Gemäß Ziffer 3.8 soll beim Abschluss einer D&O Versicherung ein angemessener Selbstbehalt vereinbart werden.

Die Bank hat zwar eine D&O Versicherung abgeschlossen, allerdings sieht die derzeitige Police einen Selbstbehalt nicht vor.

 

Der Selbtsbehalt bei einer Versicherung ist ja bekanntlich immer der Anteil, den man selbst bei einem verursachten Schaden bezahlen muss. Offenbar war die HSH nicht auf die Idee gekommen, dass so ein Selbstbehalt manchmal auch dazu führen kann, dass man ein wenig vorsichtiger wird. Weil man keine Lust hat, für mögliche selbstverursachte Schäden aufzukommen. Man ist ja versichert ...

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