claim von gute-banken

Dispo- und Überziehungszinsen: Immer zu hoch!

Oder: Die Kirche im Dorf lassen.

 

Eine kurze Meldung war es Stern.de am 6.8.2010 noch wert. Unter der wie immer pauschalen Headline „Banken und Sparkassen verlangen hohe Überziehungszinsen“ wird das Zinsniveau angeprangert. Mit einer Verspätung von 2 Wochen reagiert man auf eine Pressemeldung der Grünen vom 23.7.2010: Headline „Banken haben nichts dazu gelernt.“...

Das ist nun eine seltsame Situation: Die Grünen haben eine Untersuchung gemacht, in der sie die Zinskonditionen für Dispo und Überziehung anmahnen. Die Information, so zeigt die zum download zur Verfügung stehende Tabelle an, basiert auf dem „Preisaushang im Internet“.

Der Vorwurf, den die Grünen „den Banken“ machen:

Die Banken haben Milliarden an Rettungsgeldern aus den Steuergeldern der Verbraucher erhalten. Aber Verbraucher, die kurzfristig ihr Konto überziehen, bitten sie mit überhöhten Zinsen zur Kasse. Sie vertrauen dabei darauf, dass die Verbraucher ihr Girokonto trotz hoher Kreditzinsen nicht ohne weiteres wechseln. Diese unfairen Geschäftspraktiken führen zu Vermögensschäden und Vertrauensverlusten. Sie gefährden die soziale Marktwirtschaft und die Akzeptanz von politischen Rettungspaketen für die Finanzbranche.

Wiewohl es natürlich gut und richtig ist, die Großbanken für ihre Spekulationen zu verurteilen, stellt sich die Frage, ob die Milliardenschuld mit ein paar Zehnteln oder gar ein paar Prozent weniger Zinsen auf den Dispokredit abzugelten wären. Und ob die Sparkassen sich auch an Rettungsgeldern bedient haben. Wohl eher nicht.

 

Wie immer lohnt es sich, ein wenig tiefer zu graben....

 

Wer verlangt warum wie viel?

 

Das Kalkül der Grünen lautet auf die mögliche Refinanzierung am Kapitalmarkt und am Leitzins orientiert:

 

Dabei wären bei einem aktuellen Leitzins von 1 % lediglich ein Zinssatz von max. 6% bei Dispo- beziehungsweise 9 % bei Überziehungszinsen angemessen.

 

Dieses Kalkül gilt sicherlich für Großbanken wie die Deutsche Bank (laut Stern.de: Dispo: 12,75 %, Überziehung 17,75 %), die ihr angeschlossene Postbank (12,9% und 16.9 %), die Commerzbank (13,24 und 18,74%), die Targobank (16,99% und 16.99%) zutreffend. Aber gilt das wirklich auch für die Sparkassen (Kasseler Sparkasse 13,25% und 18,25%)? Der feine Unterschied könnte ggf. darin liegen, dass diejenigen, die nicht den dicken Reibach am Finanzmarkt machen, noch von irgendetwas anderem leben müssen.

 

Aber genau diesen Unterschied macht man einfach wieder nicht. Zum Trost: Das gilt nicht nur für die Grünen, sondern auch für N-TV.de, die schon am 15. März 2010 unter der Headline“Überziehungszinsen auf Girokonten - Welche Banken Kasse machen“ auf das Thema „hinwiesen“:

 

Sparkassen und Volksbanken teuer

Die Banken und Sparkassen sind aber grundsätzlich daran interessiert, dass Girokonten überzogen werden. Das lässt die Kassen klingeln. Sparkassen und Volksbanken stehen bei den Filialbanken in Sachen Dispozinsen ganz oben auf der Vergleichsliste der FMH-Finanzberatung. So verlangen beispielsweise die Sparkassen Leipzig, Langen-Seligenstadt und die Ostsächsische Sparkasse Dresden satte 13,5 Prozent von ihren Kunden, wenn diese den Dispokredit in Anspruch nehmen. Mit einem Zinssatz von 13,25 Prozent folgen Frankfurter Sparkasse, Berliner Volksbank, Berliner Sparkasse und Commerzbank (sowie Dresdner Bank, beide 13,24 Prozent).

 

Wieviel ist das wirklich?

 

Also wirklich: wir halten die Forderung der Grünen aus der genannten Pressemeldung im Prinzip für absolut und völlig in Ordnung:

 

Wir Grünen fordern deshalb

  • - eine kartellrechtliche Prüfung des Zinsgebaren der Geldinstitute
  • - die Einführung eines gesetzlichen Referenzzinssatzes für Dispo- und Überziehungszinssätze
  • - eine gesetzliche Obergrenze von 5 % über Referenzzinssatz für Dispokredite
  • - eine gesetzliche Obergrenze von 8 % über Referenzzinssatz für Überziehungskredite
  • - die Einrichtung eines Finanzmarktwächters, der den Markt beobachtet, Missstände aufdeckt und an die zuständige Aufsichtsbehörde meldet

 

Aber man sollte die Kirche halt auch im Dorf lassen: Nehmen wir einmal an, ich habe eine Dispo-Linie von sagen wir 3000 Euro. Ich überziehe mein Konto kurzfristig, weil ich meinetwegen eine Anschaffung  - sagen wir eine neue Küche - kurz zwischenfinanzieren will, ehe das Geld vom Oma kommt. Oder ähnlich. Sagen wir also, ich überziehe mein Konto auf insgesamt 5000 Euro. Würde ich diesen Betrag wirklich so stehen lassen – weil von Oma doch gar kein Geld kommt – hätte ich also zum Beispiel bei einem Dispozins von 13% für die ersten 3000 Euro eine Zinslast von 390 Euro pro Jahr. Und für die darüber hinausstehenden 2000 Euro habe ich dann eine Zinslast von weiteren 375 Euro. Macht zusammen also eine Zinsbelastung von 765 Euro. Allerdings für ein ganzes Jahr. Wenn ich das Geld von Oma zum Beispiel doch schon in einem Monat bekommen würde, dann wäre es nur etwa ein Zwölftel – also 63,75 Euro. Ist das jetzt viel? Oder geht es nur darum, dass es weniger sein könnte und sollte?

 

Ist eine Kontoüberziehung überhaupt eine prima Sache?

 

Bleibt die Frage: Würde ich das wirklich so machen? Oder müsste ich meinem Bankmenschen nicht dankbar sein, wenn er mir sagt: Mach’s nicht! Oder wenn er mir vorschlagen würde, bei dem aktuell niedrigen Zinsniveau einen normalen Verbraucherkredit für sagen wir 6% für meine neue Küche abzuschließen? Oder sollte ich einfach nur solange sparen, bis ich das Geld für die neue Küche beisammen habe? So hätte man das früher nämlich gemacht....

 

Nein, eigentlich ist eine Kontoüberziehung kein Instrument, mit dem man auf Dauer arbeiten sollte.

 

Wer profitiert am meisten von der Konditionsorientierung?

Ist Euch schon mal aufgefallen, dass wir seit Jahren ständig mit Konditions-Tableaus beballert werden und nur noch in billig, billig, billig denken? Tatsächlich gibt es da bei uns in Deutschland nur eine Handvoll Anbieter, die allen möglichen Medien ihre Zinstableaus verkaufen. Das ist vor allem FMH und Biallo. Die verdienen an jeder veröffentlichen Kondition. Und wir lesen sie. Freuen uns brav, wenn wir die günstigste Kondition haben – und ärgern uns, wenn wir sie nicht haben. (Die meisten in den Tableaus angegebenen Konditionen sind eh meist kaum erreichbar.)

 

Warum muss alles günstiger werden?

 

Und habt Ihr Euch schon mal Gedanken drüber gemacht, dass keine Bank ebenso wie kein Unternehmer ohne Not seine Leistungen günstiger machen würde – wenn er nicht ein konkretes Ziel damit verfolgt? Es gilt eine einfache Regel: Wenn eine Bank mit Super-Konditionen wirbt, dann wird sie es meist deshalb tun, weil sie uns als Kunden gewinnen will. Girokonten gibt’s heute nicht mehr nur zum Nulltarif – manche zahlen sogar noch Geld drauf. Rechnet sich das? Offenbar schon. Mal überlegen: Wer Kunden akquirieren will, macht’s billig. Und wer schon den höchsten Marktanteil hat – nämlich die Sparkassen und Volksbanken – müssen es so gesehen nicht billig machen... Oder doch?

 

Fazit:

 

Also: Wenn wir das nächste Mal über günstige Konditionen sprechen, sollten wir uns darüber klar sein, dass wir damit eine Denkweise befördern, die ggf. gar nicht unsere ist. Sie wurde uns nur anerzogen.

 

Eines noch: Wenn die Forderung der Grünen, die wir ja begrüßen, realistisch gelesen wird, dann heißt das ja nicht, dass der Zins plötzlich für immer bei 6% für Dispo oder 9% für Überziehung liegt. Sondern bei 5% bzw 8% über dem Leitzins. Und der Leitzins wird irgendwann wieder steigen. Wie hoch? Das werden wir ja sehen...

 

Nein, das Thema ist schon ernst. Aber geht es wirklich um die Konditionen? Oder sollte es ehr um die Art und Weise wie wir mit dem umgehen, was wir – jeder für sich und alle zusammen – erwirtschaftet haben, erwirtschaften und erwirtschaften müssen und werden? Man sollte – das Bild sei erlaubt - die Kirche der hauswirtschaftlichen Vernunft einfach mal wieder dorthin gruppieren, wo sie eigentlich hingehört: Ins Zentrum des Dorfes.

 

Was können wir tun, um das Spiel ein wenig interessanter zu gestalten? ZUm Beispiel können wir unseren Bänker fragen,

 

  • - ob er uns raten würde, Dispo- und Überziehung regelmäßig zu nutzen
  • - ob seine Bank tatsächlich ein Interesse an der Überzeihung hat – und wenn ja, dann warum
  • - ob es seiner Ansicht nach nicht besser wäre, an manchen Stellen einfach mal nein zu sagen oder andere Wege zu finden.

 

Wenn uns die Antworten gefallen, können wir bei der Bank bleiben. Wenn nicht? Dann nicht!

 

Noch etwas? Na klar! Zum Beispiel könnt Ihr einfach

 

-          unsere Seiten in Facebook und im Web an Eure Freunde und Bekannten weiterempfehlen

-          diesen Artikel teilen

-          Eure Bank auf unserer Website bewerten und empfehlen

 

Das würde allen helfen. Und ganz ehrlich: uns auch!

 

 

 

 

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