Willkommen im Unklaren: Verbraucherzentrale Bremen weiss, wie's geht.
Oder: Du hast keine Chance – nutze Sie!
Bei ZEIT und Handelsblatt ist immer noch Saure Gurken-Zeit: Gestern waren es die Sparkassen, heute sind es wieder „alle Banken". Die Basis ist das Interview mit Arno Gottschalk von der Verbraucherzentrale Bremen, das vom Handelsblatt am 3.8.2010 unter der Headline „Banken lassen Kunden bewusst im Unklaren" veröffentlicht wurde.
Im allgemein üblichen undifferenzierten Rundumschlag „erklärt Arno Gottschalk von der Verbraucherzentrale Bremen, was Anleger beachten sollten und was sich ändern muss." Als erstes erklärt er uns, worin das Grundübel besteht:
Das Grundübel ist, dass nicht die Interessen des Kunden im Vordergrund stehen.
Da mag er in vielen Fällen Recht haben! Aber leider kann er sich dann nicht zurückhalten – und muss so ziellos allgemein werden, dass es einen graust:
Die Angestellten der Banken werden nicht für das Beraten bezahlt, sondern für das Verkaufen. Und verkauft wird immer nur mit Blick auf die Provision.
Wie immer stellt sich die Frage: Ist das wirklich „immer" (überall) so? Werden Verkäufe wirklich überall provisioniert? Ist der Verkauf auf Teufel komm raus tatsächlich bei allen Bankangestellten das Ziel? Hört man den Verbraucherschützer Arno Gottschalk, dann ist es so. Aber mal im Ernst: Wenn es überall das Gleiche wäre - wo sollte ich arme Sau als Bankkunde dann eigentlich hingehen?
Wie immer lohnt es sich, ein wenig tiefer zu graben....
Viele Verkäufe – viel Geld?
Wenn man wissen will, ob der Verbraucherschützer wirklich Recht hat, müsste man halt mal fragen, welchen Hebel die Verkaufsleistung zum Beispiel auf dem Gehaltszettel eines Bankangestellten hat. Wie transparent hätten wir's denn gerne? Liest man zum Beispiel das am 13.1.2010 von der Badischen Zeitung unter der Headline "Trotz der Krise sind wir gewachsen" veröffentlichte Interview mit dem Chef der Volksbank Freiburg, Uwe Barth, bekommt man eine Antwort:
„Unsere Mitarbeiter arbeiten auch nicht provisionsgetrieben. Die leistungsabhängige Vergütung beträgt in etwa ein Monatsgehalt im Jahr. Diese Vergütung ist nicht nur von den Verkaufszahlen abhängig. Es werden auch andere Faktoren wie die Beratungsqualität berücksichtigt."
Viel Geld – viel Rendite?
Das Gründübel, das der Verbraucherschützer bei „den Banken" schlau identifiziert hat, ist ja, dass die Interessen des Verbrauchers nicht im Vordergrund stünden. Es gehe „ums Verkaufen". Also ums Geldverdienen. Ist das „immer" die Strategie aller Banken? Der Vorstand der Freiburger Volksbank sieht das anders. Seltsam eigentlich ....
Barth: Die Maximierung der Eigenkapitalrendite ist nicht Teil unserer Strategie. Wir streben einen auskömmlichen Ertrag an. Das heißt: Wir wollen genug Geld verdienen, um eine Dividende für unser Mitglieder zu bezahlen, unser Eigenkapital zu stärken und eine angemessene Risikovorsorge zu betreiben.
Wer hat nun recht? Derjenige, der mit Pauschalurteilen die Gäule scheu macht?
Viele Bankprodukte – viel Geld?
Noch ein Punkt: Wie es der Zufall will, nahm ZEIT-Online praktisch zeitgleich mit dem Handelsblatt am 3.8.2010 das Interview mit dem Bremer Verbraucherschützer zum Anlass, auch noch ein wenig draufzuhauen. Hier lautete der pauschale Titel: „Risiko Bankberatung". (Wenigstens machte sich die ZEIT dieses mal die Mühe, einen eigenen Artikel zu schreiben). Allerdings versteigt sich die ZEIT hier in einen Gedanken, der aus unserer Sicht durchaus nicht so sehr in Stein gemeißelt ist, wie sie es uns erklären will:
Achten Sie auf Vielfalt! Viele Banken bieten nur hauseigene Produkte an. Gerade bei Sparkassen und Volksbanken ist das oft der Fall. Die Auswahl ist dadurch begrenzt, den Kunden könnten Chancen entgehen. Faire Berater stellen Ihnen auch Produkte anderer Banken und Versicherungen vor, statt nur hauseigene Ware aufzuschwatzen, an der sie mehr Provision verdienen.
Ja, wie soll das denn nun gehen, liebe ZEIT? Sollen wir es also gut finden, wenn das einzelne Institut uns nicht mehr zu dem rät, was sie kennt und wozu sie stehen kann – und stattdessen noch Produkte von anderen anbietet, die sie zwar nicht versteht, die aber ggf. sogar mit mehr Provision winken? Ganz ehrlich: Das sehen wir nicht so. Wir sehen die Sache eher anders herum: Es gibt im Grunde zu viele Produkte. So viele, dass sie sich gegenseitig Wettbewerb machen müssen – um den Kunden und den Verkauf mit allen Mitteln kämpfen (vor allem mit Provisionen). Und immer ist da hinten ein Emittent, der kräftig dran verdient. Soviel, dass er auch locker Provisionen zahlen und Renditen versprechen kann.
Aber mal ehrlich: Was nützt uns auf die Dauer "x % mehr Rendite", wenn wir uns damit noch mehr Unsicherheit einkaufen – und das Gesamtsystem weiter befeuern?
Muss das alles so sein?
Im Grund ist es ganz einfach: Wer Euch bei einem Zinsniveau um 2,5 % eine Rendite von 10% oder mehr verspricht, der verspricht Euch Risiken, mit denen Ihr noch vor 10 oder 15 Jahren nie etwas zu tun hättet haben wollen. Warum erklärt uns das keiner? Nochmal Zeit-Online:
Ganz wichtig bei der Geldanlage: Überschätzen Sie sich nicht. Je weniger Sie sich mit diesen Themen auskennen, desto vorsichtiger sollten Sie sein. In Aktien oder Zertifikate sollten Anfänger Ihr Geld jedenfalls nicht stecken. Im umgekehrten Falle bedeutet es natürlich: je besser Sie sich auskennen, umso mehr dürfen Sie sich auch trauen – wenn Sie das denn wollen.
Was lehrt uns dieses? Eigentlich nur, dass wir als Anfänger nicht spielen sollen. Aber wenn wir's dann mal gelernt haben, dann sollen wir es doch bitte tun? Also mal ehrlich: das sehen wir nicht so.
Was ist eigentlich Verbraucherschutz?
Wo wir dem Verbraucherschützer aus Bremen übrigens auch nicht Recht geben, ist ein weiterer Punkt. Nämlich die Frage, was Verbraucherschutz eigentlich bedeuten würde. Arno Gottschalk von der Verbraucherzentrale Bremen erklärt uns im Handelsblatt am 3.8.2010:
Unsere Aufgabe ist aufpassen, bellen und notfalls auch beißen. Aber oft fehlt uns die Kraft, noch mehr zu tun. Im Kern ist es eine Frage der finanziellen Mittel und der Rechte. Dass es der Verbraucher allein schafft, glaube ich nicht.
Aha: Das ist also die Agenda von Herrn Gottschalk. Ein Interview geben, um ein wenig Lobbyarbeit zu leisten für eine bessere finanzielle Ausstattung zu bekommen. Und parallel dazu einen Pflock in die Erde kriegen, um die provisionsfreie Beratung nach vorne zu bringen:
Wenn sich wirklich etwas bessern soll, dann muss es mehr provisionsfreie Beratung und eine stärkere Gegenmacht zu den Banken geben.
Wie es der Zufall will, bietet die verbraucherzentrale Bremen solche Beratungen an. Wer sich für die Preise interessiert – man kann sie auf der Website der Verbraucherzentrale nachlesen:
Persönliche Beratung zur Geldanlage (bis 80 TEuro) und Altersvorsorge Euro 60,00 je Stunde
Persönliche Beratung zur Geldanlage (bis 150 TEuro) Euro 80,00 je Stunde
Persönliche Beratung zur Geldanlage (ab 150 TEuro) Euro 100,00 je Stunde
Bitteschön: Wir haben echt nichts dagegen, dass sie das tut. Und wir finden es auch ok, dass sie dafür ein Interview im Handelsblatt gibt. Aber wenn schon, dann kann man ja mit offenen Karten spielen ...
Fazit:
Also, ihr kritischen Geister: Warum sagt Ihr nicht endlich mal, wem Eure Art von hilfreichen Tipps nützt: Dem Finanzmarkt und den Großbanken. Also genau denen, die – da geben wir dem Verbraucherschützer Recht - die das Interesse des Kunden wirklich nicht in den Vordergrund stellen. Aber trifft das wirklich „immer" auf alle Banken zu? Noch ist es so,
o dass Sparkassen und Genossenschaftsbanken allein schon aufgrund ihrer Satzungen anders ticken
o dass sie deshalb zwar auch Provisionen vereinnahmen, aber andere Ziele verfolgen als Großbanken
o dass sie auch Fehler machen und manche von ihnen in den letzten Jahren genau denselben Versprechungen aufgesessen sind wie wir selbst
o dass sie behäbiger und irgendwie langweiliger sind
o und dass sie wohl grade deshalb in den letzten beiden Jahren einen massiven Zulauf erfahren haben.
Nein, das Grundübel sind nicht die Provisionen. Sondern es geht darum, ob eine Bank aus ihrem Innersten heraus der Gesellschaft dient oder eben sich selbst. So einfach ist es eigentlich. Aber das ist wohl für viele schon so einfach, dass es zu komplex ist. Und man kann nicht soviel Krawall damit machen. Trotzdem wäre das mal echter Verbraucherschutz, den Leuten einfach zu sagen: Lass es – spiel nicht mit!
Was können wir ausserdem tun?
Wir können zum Beispiel unseren Bänker fragen
- ob er für den „Verkauf" einer Geldanlage persönlich Provisionen bekommt
- wie sich die leistungsabhängige Gehaltskomponente bei ihm zusammensetzt
- ob sein Haus nur eigene oder auch fremde Produkte verkauft – und ob es sie wirklich versteht
- welche Bedeutung er der Rendite bei der Beratung beimisst
- ob er zu einem Kunden auch schon mal einfach „lass es!" gesagt hat.
Wenn uns die Antworten gefallen, können wir getrost bei der Bank bleiben. Wenn nicht? Dann nicht!
Noch etwas? Ihr wisst ja: Ihr könnt auch jederzeit
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Klar sind das nur kleine Schritte. Aber besser als nichts. Davon hat jeder was – und ganz ehrlich: Wir auch!
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