claim von gute-banken

Nachtrag: IWF, EU und Medien zum Thema Leerverkäufe.

Oder: Wie man ein Thema erfindet....

 

Viele deutschsprachige Medien überschlugen sich am 17. / 18. und 19.8.2010 über die Rückmeldung des Internationalen Währungsfonds zur Anfrage der EU bezüglich des Verbots von Leerverkäufen. Der IWF greife das Anfang Juli vom Bundestag verabschiedete Verbot ungedeckter Leerverkäufe an. So hieß es. Und jetzt kommt’s: Sollte es sich bei dem fraglichen Papier des Währungsfonds um die „IMF STAFF COMMENTS ON EU COMMISSION CONSULTATION ON SHORT SELLING“ vom 5.Juli handeln, kommt das Wort „Germany“ hier gar nicht vor...

 

Wir hatten darüber geschrieben: Am 17.8.10 rollte eine Meldung durch die Medien. Der Internationale Währungsfonds attackiere Deutschland wegen des Leerverkaufsverbots. „IWF_Bericht blamiert Deutschland“ so schrieb der Focus, am 19.8.10. das Handelsblatt titelte am 17.8.10: “IWF verteufelt Schäubles Verbot riskante Börsenwetten“. Und auch die Süddeutsche schrieb am 17.8.10 „Währungsfonds attackiert Deutschland“. Wir lesen das und glauben das. Und machen uns womöglich Sorgen. Aber ist das wirklich so?

 

Wie immer lohnt es sich ein wenig tiefer zu graben....

 

Das mutmaßliche Papier des IWF

Bestandsaufnahme: Sucht man auf der Website des IWF nach einem Papier zum Thema Short Selling stößt man lediglich auf das am 5.8.10 veröffentlichte Papier: „IMF STAFF COMMENTS ON EU COMMISSION CONSULTATION ON SHORT SELLING“. 17 Seiten prall gefüllt mit Argumentationen über das Für und Wider – vor allem aber über das „Für“ von Leerverkäufen. Und steht nun in diesem Papier irgendetwas über Deutschland drin? Kein Wort. Im Gegenteil: Dort ist zu lesen, dass Leerverkäufe schon von ganz anderen Ländern verboten worden sind:

 

In Europe, various market authorities banned (naked) short sales of financial stocks in September 2008 (...)The ban first took effect in the U.K. and was followed by similar short sales bans in other EU countries, except Spain, Finland and Sweden.“

 

Ganz ehrlich: Die Worte „Germany“ oder „german“ kommen hier überhaupt nicht vor. (wer’s nicht glauben mag, soll selbst gucken:

www.imf.org/external/np/eur/2010/pdf/080510.pdf+imf+short+selling&cd=1&hl=de&ct=clnk&gl=de )

 

Richtig ist, dass der IWF sich allgemein gegen Alleingänge ausgesprochen hat – aber wie gesagt: Hier einen Bezug zu Deutschland herzustellen, weil der deutsche Bundestagsbeschluss grade zeitlich in der Nähe lag, ist kaum nachvollziehbar. Im IWF-Papier ist zum Beispiel zu lesen:

 

We concur that the wide variety of measures put in place across EU member states during the current crisis has been suboptimal and favor a more harmonized approach to short-sale regulations in the EU. In highly integrated markets, go-it-alone approaches are unnecessarily distortive and inadequately effective“

 

Ebenso richtig ist der von einigen Medien gebrauchte IWF-Satz, dass das Verbot von Leerverkäufen "die Effizienz und die Qualität der Märkte deutlich verschlechtert habe.“

 

(...) market efficiency and quality in fact deteriorated substantially following the introduction of the various bans.“

 

Keine Rede von Deutschland. Nur Europa. Also: Wie um Himmels willen kommen die Medien dann dazu, hieraus eine Attacke auf die deutsche Bundesregierung zu konstruieren? Man weiß es nicht. Ganz offenbar hatten sie einfach voneinander abgeschrieben.

 

Stimmt es denn wenigstens, dass der IWF das Verbot von Leerverkäufen total ablehnt? Nein, das stimmt offenbar auch nicht. Wenigstens nicht, wenn man das Papier liest:

 

We agree that the possibility to impose restrictions on short-selling in emergency situations can be a valuable fall-back option as long as it serves specific and well-identified public policy objectives, creates as few distortions as possible, is implemented within a predictable and reliable framework and exempts legitimate uses.“

 

Die Reaktion der Bundesregierung

Also noch einmal: Wenn es sich bei dem allseits zitierten Konsultationspapier um dasjenige handelt, das wir gefunden haben, steht da über Deutschland nichts drin. Dennoch fühlt sich die Bundesregierung verpflichtet, auf die Sache einzugehen. So zitiert der Spiegel-Online den Finanzminister am 21.8.10 unter der Headline „Finanzminister Schäuble verteidigt Verbot von Leerverkäufen gegen IWF-Kritik“

 

"Bei dringend notwendigen Maßnahmen wie der Reduzierung des Krisenpotentials der Finanzmärkte können wir mit dem Handeln nicht zu lange warten", so Schäuble. "Deshalb haben wir im Vorgriff national rasch entschieden, ohne das Ziel einer internationalen oder zumindest europäischen Regelung aufzugeben“.

 

Wie man sieht, reagiert Schäuble zumindest in diesem vorab veröffentlichten Interview-Auszug des Spiegels nur mittelbar auf die – im Grunde nicht gemachten – Vorwürfe. Aber das ist nicht alles.

 

Der Gegenschlag

Am 21.8.10 liest man nun zum Beispiel in Börse-Online.de unter der Headline „Schäubles Verbot von Leerverkäufen wirkt“, dass das Leerverkaufsverbot eben doch Wirkung gezeigt hätte:

 

Das Verbot ungedeckter Leerverkäufe bestimmter Wertpapiere in Deutschland wirkt sich an den Märkten laut Händlern positiv aus. Seit Inkrafttreten des Verbots Mitte Mai beobachten sie deutlich weniger Kurssprünge im kurzfristigen Handel am Aktien- und Rentenmarkt. "Der Druck auf einige Aktien ist in Phasen starker Abwärtsbewegungen zurückgegangen", sagte Matthias Jasper, Chefhändler der WGZ Bank. Auch Fidel Helmer, Leiter des Wertpapierhandels bei Hauck & Aufhäuser, bestätigt: "Die Umsätze sind geringer geworden."

 

Unter derselben Headline schrieb auch die Financial Times bereits am 19.8.10:

 

Was Marktteilnehmer jetzt im Tagesgeschäft beobachten, zeichnet ein völlig anderes Bild von der Wirkungskraft des "Schäuble-Verbots": "Die These, dass ein Verbot von ungedeckten Leerverkäufen keinen Effekt auf die Märkte hat, kann so nicht gehalten werden", sagte ein Händler. Auswirkungen habe das neue Gesetz so vor allem auf Positionen, die am gleichen Tag eröffnet und wieder geschlossen werden - den Intradayhandel also. Betroffen vom Verbot sind deshalb laut Händlern nun vor allem Hedge-Fonds und ausländische Investoren. "Vor allem sie haben in der Vergangenheit immer wieder die gleiche Klaviatur gespielt: erst kurzfristig draufhauen und dann später im Tagesverlauf wieder eindecken", sagte ein Händler.

 

Den ganzen Artikel der Financial Times werden wir hier in Kürze posten.

 

Fazit:

Wie heißt es schon im Faust:“ Da steh ich nun, ich armer Tor und bin so schlau als wie zuvor.“ Wer schreibt wann was – und warum? Wer ist für die Regulierung des Finanzmarkts und wer ist dagegen? Naja, diese Frage ist im Grunde schon geklärt. Dass etwas passieren muss und der Finanzmarkt stärker in die Grenzen verwiesen werden muss, ist heute Common Sense. Nur bei der konkreten Ausgestaltung ist man sich noch nicht so sicher.

 

Wenn Ihr uns fragt: Das richtig Alberne daran ist, dass die Begründungen, die jeweils gegeben werden, sich meist auf irgendwelche statistische Studien gründen. Der IWF rechnet anders als die deutschen Marktteilnehmer.

 

Vielleicht sollten sie ja mal aufhören zu rechnen und wieder anfangen, nachzudenken – darüber, was wichtig ist und was nicht. Und wer in diesem globalen Geldspiel wem zu dienen hat.

 

Auf diese Idee kam irgendwie auch der IWF selbst, als er am 16.10.2008 über ein internationales Meeting mit dem Titel „ Future Role of IMF Debated As Financial Crisis Takes Toll“ berichtetete. Dort wird der Vorsitzende des International Monetary and Financial Committee, Youssef Boutros-Ghali zitiert:

 

"The IMF should, in the near future, step in to put some coherence in financial regulations and in the surveillance of financial markets—cross-border surveillance, cross-border coherence between regulatory practices, accounting practices, and so on,"

 

Und bis das alles mal geregelt ist, sollten wir einfach selbst überlegen, welches Spiel wir spielen wollen. Dazu können wir auch dadurch beitragen, dass wir nicht immer alles glauben, was wir lesen. Und auch dadurch, dass wir uns unsere Banken genauer ansehen. Und unsere Bänker fragen

  • was sie von Leerverkäufen halten

  • ob sie Leerverkäufe empfehlen

  • wie stark die Bank am Finanzmarkt engagiert sind

  • wie viel Prozent der Kundenanlagen in eher riskante Anlageprofilen investiert sind.

 

Sonst noch was? Na klar! Zum Beispiel könnt Ihr einfach

  • unsere Seiten in Facebook und im Web an Eure Freunde und Bekannten weiterempfehlen

  • diesen Artikel teilen

  • Eure Bank auf unserer Website bewerten und gegebenenfalls empfehlen

 

Das würde allen helfen. Und ganz ehrlich: uns auch!

 

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Kommentare

Kommentare 

0 # Autor 2011-08-14 16:27
Das ganze klingt eher nach gezielter Manipulation der Medien, im Interesse eines im Hintergrund agierenden.. Wer das ist, müßte man recherchieren.

Eine 2. Möglichkeit ist, nicht auf Manipulation zu untersuchen, sondern die Frage cui bono zu beantworten. Die Antwort lautet hier offensichtlich, es nützt den Banken, die starke Lobbyarbeit gegen jedwelche Regulierung betreiben ! Die Bankenlobby wird dabei gezielt von Neoliberalen Denkern unterstützt, die einfach wie bisher weiter Profit vor Menschlichkeit setzen!
Also kann es sich bei dieser Medienlüge um gezielte Hilfestellung für die Bankenlobby, durch die Inhaber der Medien handeln. Beispiele für Steuerung der Meinung, insbesondere in Richtung Akzeptanz von Reformen, die bisher alle den Neoliberalismus gestützt haben, sind zuhauf bei den Springer Medien zu finden...
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0 # Autor 2011-08-14 16:41
Und welchem Neoliberalen think tank Springer mit der Bild Zeitung und 50 anderen Zeitungen gehört, ist leicht herauszufinden: dem Bertelsmann Konzern!

Bertels mann gehören aber auch fast alle Privaten Fernsehsender, wie Pro7 / Sat1 Media und RTL media...
Und Bertelsmann ist DER im Hintergrund agierende Neoliberale thinktank in Deutschland und Europa!
Wenn Bertelsmann also meint, es nützt den Banken, werden gezielt solche Nachrichten in seinen Medien verbreiten, die sogar die Bundesregierung angreifen!
Das die Bankenlobby stark von Neoliberalen Denkern unterstützt wird, die einfach wie bisher weiter Profit vor Menschlichkeit setzen, ist ein Offenes Geheimniss! ATTACK -Aufklärungsvortr äge sind dafür sonst auch empfehlenswert.

Also kann es sich bei dieser Medienlüge um gezielte Hilfestellung für die Bankenlobby durch die Inhaber der Medien handeln... Beispiele für eine Steuerung der Meinung, sind zuhauf bei den Springer Medien zu finden.
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0 # Autor 2011-08-14 16:52
Und welchem Neoliberalen think tank Springer mit der Bild Zeitung und 50 anderen Zeitungen gehört, ist leicht herauszufinden: dem Bertelsmann Konzern!

Bertelsmann gehören aber auch fast alle Privaten Fernsehsender, wie Pro7 / Sat1 Media und RTL media...
Und Bertelsmann ist DER im Hintergrund agierende Neoliberale thinktank in Deutschland und Europa!
Wenn Bertelsmann also meint, es nützt den Banken, werden gezielt solche Nachrichten in seinen Medien verbreiten, die sogar die Bundesregierung angreifen!
Das die Bankenlobby mit Nachdruck von Neoliberalen Denkern unterstützt wird, die einfach wie bisher weiter Profit vor Menschlichkeit setzen, ist ein Offenes Geheimniss! ATTACK -Aufklärungsvortr äge sind dafür sonst auch empfehlenswert.

Also kann es sich bei dieser Medienlüge um gezielte Hilfestellung für die Bankenlobby durch die Inhaber der Medien handeln... Beispiele für eine Steuerung der Meinung, sind zuhauf bei den Springer Medien zu finden...
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