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Deutsche Bank: „Dark Pool“ mit „anti-gaming protection“ in Asien.

Oder: Trick 17 mit Selbstüberlistung...

 

Am 24.8.10 führt das Handelsblatt uns unter der Headline „„Dunkle Machenschaften“: Deutsche Bank forciert Aktiengeschäft in Asien“ in ein für die meisten wohl neues Thema ein: Das Handeln von Aktien im großen Stil, ohne dass es jemand merkt. An der Börse vorbei. Mit Anti-Gaming-Protection. Der Finanzmarkt durchschaut und kontrolliert sich selbst. Das ist so logisch und gleichzeitig so absurd, dass man vom drüber Nachdenken echt Kopfweh kriegen könnte...

 

Was ist denn das nun wieder? Aktiengeschäft an der Börse vorbei? Anti-Gaming? Was bedeutet das genau? Hier ein kurzes Zitat aus dem Handelsblatt-Artikel:

 

Neben den traditionellen Börsen tummeln sich zunehmend neue – in der Regel von Banken gegründete – Akteure auf diesem Markt. Bei den Konkurrenten der Börsen handelt es sich zum einen um institutsübergreifende alternative Handelsplattformen (MTF) und zum anderen um institutseigene Dark Pools.

 

Dark Pools? MTF? Was ist denn das nun schon wieder? Wie immer lohnt es sich, ein wenig tiefer zu graben....

 

Handel im großen Stil - außerhalb der Börse

Wie funktionieren Finanzmarkttransaktionen normalerweise? Ja da würde man sagen: Es gibt einen potenziellen Käufer und einen potenziellen Verkäufer. Und die treffen sich an der Börse. Sobald die Vorstellungen von Verkaufspreis und Kaufpreis zusammen passen, wird der Verkauf bzw. Kauf in die Wege geleitet. Ist das so? Nicht immer, lernen wir jetzt. Denn es gibt auch sogenannte Multilateral Trading Facilities (MTF) oder auf deutsch: Multilaterale Handelssysteme. Das sind Handelsplattformen, die keine Börsen sind – und die meist von Großbanken oder Großbankenkonsortien gegründet wurden. Und auf denen vor allem Aktien in großen Mengen gehandelt werden.

 

Was ist Dark Liquidity ...

Auf diesen MTF wird dann mit sogenannter „dunkler Liquidität“ gearbeitet. Was ist das eigentlich? Das ist nun eben Geld, das in derartig rauen Mengen existiert, dass der Einsatz an normalen Börsen zu aufwendig wäre – und das deshalb eben hintenrum, anonym oder eben am normalen Markt vorbei investiert werden soll. Wie wir im Handelsblatt lesen (siehe unten), ist Dark Liquidity vor allem etwas, das Hedge Fonds einsetzen. Ja, die Hedge Fonds mal wieder. Die tauchen scheinbar wirklich überall dort auf, wo es für normale Menschen seltsam oder absurd wird....

 

Der „Vorteil“

Um den inneren Sinn von Dark Liquidity zu verstehen, muss man denken wie ein institutioneller Investor, der sehr, sehr, sehr viel Geld von anderen hat – und irgendwie sehen muss, dass er daraus mehr macht und dabei mindestens die Inflation plus einer angemessenen Rendite erwirtschaften muss (was immer auch als „angemessen“ erscheinen mag). Wenn man also so ein Investor ist, will man im großen Stil investieren. Wenn aber jemand im großen Stil zum Beispiel in eine Aktie investieren will, der löst damit an der Börse wie gesagt Preissteigerungen aus, die schon greifen, ehe man alle Aktien gekauft hat, die man wollte. Und hier lösen börsenunabhängige Multilaterale Handelssysteme dieses Problem. Eine sehr gute Beschreibung liefert die Website von Liquidnet, einem der MTF-Player aus USA:

 

Here is what we know:

  • The average size of an institutional order is approximately 185,000 shares.

  • The average execution size on the NYSE and on the NASDAQ is consistently below 300 shares.

  • Equity traders consistently state that the #1 challenge to their job is finding the liquidity they need without incurring impact and transaction costs.

 

(...) Ultimately, the best-case scenario would be--instead of an asset manager searching the ends of the earth for the liquidity they need--that the natural liquidity found the institution. Imagine if a buy-side trader could keep her orders protected on her desk, and have a trading system that could bring liquidity to execute against those orders without moving the market.

 

Bis hierher kann man es ja eventuell noch verstehen. Auch wenn man es doch hochgradig seltsam findet, wenn der Markt sich Instrumente erfindet, um sich selbst quasi zu hintergehen. Nämlich Dark Pools. Aber was ist nun ein Dark Pool genau?

 

Was ist ein Dark Pool?

Antwort: Ein Dark Pool ist der große Geldtopf für die Handelsplattform, auf der an der Börse vorbei große Mengen von Aktien gehandelt werden – da fließt also Geld rein - und zwar anonym und ohne dass das jemand mitkriegen würde. Daran haben die Käufer großes Interesse. Denn wie gesagt: Wenn ein Großkäufer den Kauf von vielen Aktien plant, dann wittern die Börsenteilnehmer zu Recht steigende Kurse (einfach wegen der großen Nachfrage).

 

Das Handelsblatt definiert den Dark Pool im genannten Artikel so:

Dark Pools sind anonyme Handelsplattformen für Aktientransaktionen. Nutzer sind Großinvestoren wie Hedge-Fonds. Ein Verkäufer stellt den Auftrag anonym und ohne allgemein sichtbare Preis- und Größenangabe in einen von einer Bank betriebenen Dark Pool. Die Order wird ausgeführt, wenn ein Käufer die gleiche Zahl an Aktien zum gleichen Preis durch eine anonyme Kauforder sucht. So werden große Aktienblöcke gehandelt, ohne den Kurs allein durch die Order zu beeinflussen.

 

Ein Dark Pool und eine Multilateral Trade Facility ist also, um es nochmal einfach auszudrücken, ein Markt, der die wesentlichste Regel des Marktes (Wettbewerb und Preisfindung über öffentlich transparentes Angebot und Nachfrage) einfach mal so hintergeht. Ist das nicht eine großartige Einrichtung?

 

Wie funktioniert das?

Man fragt sich ja nun wirklich, wie und warum das funktionieren soll. Die relativ einfache Antwort: Mit dem Computer. Am 22.3.2010 veröffentlichte die Deutsche Bank eine Pressemeldung (wohlweißlich nur auf englisch) mit der Überschrift: „ Deutsche Bank Autobahn® Equity releases the Super X algorithm“. Dort ist zu lesen:

 

"Super X moves well beyond simple dark pool aggregation or naive heat map based routing strategies," said Jose Marques, Global Head of Equity Electronic Trading. "With Super X, institutional traders have a truly innovative tool for maximizing the efficient use of dark liquidity irrespective of the ultimate counterparty." All Deutsche Bank's algorithms, including Super X, are fully integrated with Deutsche Bank's ultra-fast smart order router, which adapts the execution of trades to all available dark and displayed venues.“

 

Also mal auf deutsch: Super X ist eine Anwendung, die von einer Deutsche Bank-Tochter mit dem schönen Namen „Deutsche Bank Autobahn® Equity“ entwickelt wurde. Und das Tolle an dieser Plattform ist, dass man an „dunkle Liquidität“ sehr gut drankommt! Noch viel besser als vorher sogar! Danke für den Hinweis ....

 

Anti-Gaming-Protection

Aber es kommt noch lustiger: Denn in einer weiteren Pressemeldung meldet die Deutsche Bank am 23.8.10 unter der Headline „Deutsche Bank launches automated equity trading system and liquidity algorithm in Hong Kong“:

Greg Lee, Head of Autobahn Equity, Asia said: "Introducing SuperX simultaneously with DBATS gives our clients a unique way to access dark liquidity with a high degree of trade control and anti-gaming protection."

 

Wir lernen hier also, dass sich auch der anonyme Markt vor dem schützen muss, was im offenen Markt stattfindet und was er offenbar ganz offiziell „Gaming“ nennt. Spielen.

 

Eine schöne Erklärung hierzu gibt das Magazin Advanced Trading am 8.8.2008 unter der Headline „End Game: Anti-Gaming Technology in Dark Pools Tops Buy-Side Agenda“:

Even as buy-side traders continue to send more and more order flow to dark liquidity pools as a way to avoid information leakage and moving the market, concerns about price manipulation, or gaming, in the opaque crossing networks are on the rise. While six months ago the main issue for buy-side institutions was navigating the fragmented markets -- which comprise more than 40 crossing networks, block trading systems and dark liquidity pools -- the hot topic now is protecting against gamers who ping non-displayed venues where large institutional orders rest.

 

Nochmal in Kurzform auf deutsch: Jetzt ist das ganze System doch extra so schön anonym, damit die Preise auch beim Großeinkauf nicht steigen. Und dann gibt es eben doch wieder Gambler oder „Gamers“, die das undurchsichtige System für Preismanipulationen nutzen.

 

Die Dialektik der Software

Preismanipulationen? Gibt’s so was? Wirklich? Sowas aber auch! Das kann natürlich gerade im anonymen Markt auch beim Geschäftemachen stören. Und weil man so schnell wie möglich gegen Gamer vorgehen will, sind Anwendungen wie SuperX von der Deutschen Bank also Anti-Gaming-geschützt. Na immerhin.

 

Am besten würde man wohl auch wirklich nur noch Computer die Investitionsentscheidungen treffen lassen. Dann wäre wenigstens kein böser Wille mehr im Spiel. Dass der Anteil der computerausgelösten Transaktionen immer größer wird, beschreibt auch der Artikel „Hochfrequenz-Handel: Schneller als der Blitz“ aus der Branchenzeitschrift „Die Bank“ (Ausgabe 5/ 2010):

Bis zu 5.000 Geschäfte schließt ein Aktienhändler an guten Tagen ab. Doch das ist nichts gegen die 60 Mio Kauf- und Verkaufsaufträge, die ein einziges Computerprogramm schon bald täglich absetzen kann.

 

Es werden also durch den sogenannten Algo-Handel – also den auf Algorithmen basierenden Handel – deutlich mehr Transaktionen abgewickelt als durch den Menschen. Ist das nun gut oder schlecht? Das Seltsame daran ist, dass sich laut mancher Experten der Algo-Handel sogar positiv auswirken kann. Wie schräge sich das computerisierte Handeln ausnehmen kann, ist auch in dem Artikel aus „Die Bank“ zu lesen:

Mangelnde Transparenz wird auch den so genannten Dark Pools vorgeworfen. Sie werden genutzt, um umfangreiche Wertpapierpakete außerbörslich und kursschonend zu handeln. Der Hochfrequenzhandel spielt auch hier eine wichtige Rolle. Doch von diesen wenigen Ausnahmen abgesehen bezweifeln Experten, dass eine strengere Regulierung des Algo-Handels notwendig ist. „Wir haben in unseren Studien keine empirischen Beweise gefunden, dass der Hochfrequenzhandel destabilisierend für die Märkte sein könnte“, sagt etwa Professor Peter Gomber, Leiter des E-Finance Lab an der Universität Frankfurt/Main. Im Gegenteil: Auch auf dem Höhepunkt der Finanzkrise 2008 hätten die Märkte gestützt durch Liquidität der Algo-Händler gut funktioniert. Viele Computerprogramme seien inzwischen so ausgestaltet, dass bei niedrigen Kursniveaus automatisch Wertpapiere gekauft würden. Dadurch sei etwa eine Wiederholung des „Black Monday“ 1987 unwahrscheinlich. Damals waren durch das Unterschreiten wichtiger Kursschwellen automatische Verkaufsorders ausgelöst worden, die den Mini-Crash dann verschlimmerten.

 

Kollege Blechtrottel ist also am Ende der Glücksbringer, weil er mechanisch, berechenbar und berechnet - und eben nicht emotional - agiert? Trick 17 mit Selbstüberlistung. Darüber muss man wirklich eine Weile nachdenken...

 

Fazit:

Fassen wir also mal zusammen: Es gibt schon seit einigen Jahren einen Markt hinter dem Markt, in dem Geld im großen Stil am Markt vorbei bewegt wird – und in dem - wenigstens laut Handelsblatt - wieder die Hedge Fonds aktiv sind. Wir wussten davon nichts. Aber wir wussten ja vieles nicht und glaubten vielleicht auch zu viel. Aber jetzt wissen wir es. Großes Geld, große Volumina. Investieren ohne Marktbewegung. Das wäre eine prima Sache – wenn sie auch dem Gesamtprinzip des Finanzmarktes widerspricht. Denn der Finanzmarkt basiert ja auf kontrolliertem Handel. Alle sind der Gesellschaft verpflichtet – es gibt kein Gambling – und die Erde ist eine Scheibe.

 

Und weil man weiss, dass das so ist und dass das mit der Kontrolle nicht so recht funktionieren will, erfindet man erst Systeme, die das transparente intransparent machen – und die dann auch wieder zum Spielen genutzt werden. Aber das macht ja nichts: Die gute, wunderbare, herrliche Deutsche Bank ist ja da, um Anti-Gaming-Protection zu programmieren....

 

Nun können wir uns fragen, ob das denn nun überhaupt die Aufgabe von Banken ist oder sein sollte: Den Finanzmarkt zu hintergehen und damit die kleinen Anleger außen vor zu lassen. Denn die würden ja, wenn man sich das recht überlegt, von steigenden Kursen ggf. profitieren – und natürlich bei sinkenden Kursen verlieren. Allerdings ist ja das Perfide an dieser ganzen Sache, dass eben ganz offenbar derartig viel Geld und ein derartig großer Anlagedruck da ist, dass die Kurse normalerweise steigen müssten. Gegebenenfalls ins Unermessliche.... ach nein das hatten wir vor ein paar Jahren schon mal. Da war auch so viel Geld da, dass es nicht mehr in Unternehmen, sondern in Hoffnungen investiert wurde. Wo Unternehmen ohne nennenswerten Umsatz einen Börsenwert von vielen Millionen haben konnten. Nein, das brauchen wir auch nicht. Bleibt die Frage: was brauchen wir eigentlich? Vielleicht einfach nur Banken, die nicht am Finanzmarkt spielen, sondern mit dem Geld, das in einer Region verdient und angelegt wird, genau dieselbe Region weiter bringen. (Ach so ja, das wären ja Sparkassen und Genossenschaftsbanken...)

 

Und was können wir außer einem zweifelnden Kopfschütteln noch tun? Ja wir können uns überlegen, ob wir das gut finden. Und ob wir mit Banken zusammen arbeiten wollen, die sich an solchen Geschäften beteiligen. Das können wir ja rauskriegen, in dem wir unsere Bänker fragen

  • ob sie wissen, was eine Multilateral Trading Facility ist

  • ob ihnen der Begriff Dark Liquidity ein Begriff ist

  • ob ihre Bank selbst mit einem Dark Pool zu tun hat

  • was sie von Dark Pools und MTF halten

 

Wie immer gilt: wenn uns die Antworten gefallen, sollten wir bei unserer Bank bleiben. Und wenn nicht? Ja, dann eben nicht....

 

Noch etwas? Na klar! Zum Beispiel könnt Ihr einfach

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Das würde allen helfen. Und ganz ehrlich: uns auch!

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