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Basel III – ein Parforce-Ritt zu den Hintergründen.

 Oder: Warum man mit den Banken schon seine Last hat...

 

13.9.10: Jetzt ist Basel III also zunächst verabschiedet. Im November soll es dann den G20 vorgestellt werden. Ein Begriff geistert aber jetzt schon durch nahezu alle Medien: „Milliardenlasten für die Banken“. Lasten? Wieso Lasten? Eigentlich geht es doch nur darum, dass die Banken relativ mehr Eigenkapital besitzen sollen...

 

Das Prinzip ist auf den ersten Blick ganz einfach: Bisher mussten Banken von jedem Euro, den sie verleihen, wenigstens 4 Cent (4%) auch selbst besitzen. Das ist nicht gerade viel. Basel III schreibt ihnen nun vor, dass sie von jedem verliehenen Euro wenigstens 6 Cent (6%) wirklich nachweislich in der Tasche haben. Dazu kommt noch ein sogenannter Risikopuffer, von weiteren 2,5 cent (2,5 Cent). Wenn sie diesen Risikopuffer unterschreiten, dürfen sie keine Dividenden mehr an Ihre Aktionäre auszahlen.

 

Nur 6 Prozent eigenes Geld? Wie kann das denn sein?

 

Wie immer lohnt es sich, ein wenig tiefer zu graben....

 

Kreditvergabe und Eigenkapital bei Privathaushalten

 

Um Basel III zu verstehen, muss man anders denken als ein normaler Haushalt. Denn die Aufgabe eines normalen Haushaltes ist es, sich durch Arbeit zu ernähren, ein Dach über dem Kopf zu haben und immer genügend Geld auf der hohen Kante zu haben (sparen), damit Anschaffungen möglich sind. Man gibt als nach Möglichkeit nicht mehr Geld aus, als man hat. Sonderfall: Wenn eine langfristige Investition wie zum Beispiel das Häuslebauen ansteht, leiht man sich Geld von der Bank. Dafür gibt es einen einfachen Grund. Ein Haus oder eine Wohnung kauft man sich in der Regel, wenn man in den 30ern ist. Einfache Rechnung: Weil man zu diesem Zeitpunkt in der Regel noch nicht genug angespart hat, um die Immobilie zu bezahlen, nimmt man einen Kredit auf. Man nimmt also quasi den Zustand, in dem man das Geld hätte, vorweg. Damit man das kann, muss man aber schon gezeigt haben, dass man in der Lage ist, zu sparen und die Immobilie auf lange Sicht abzubezahlen. Als „Beweis“ für diese Fähigkeit verlangen die Banken in der Regel eine Eigenkapitalquote von 20%. Die Wohnung kostet als beispielsweise 100.000 Euro. Um einen Kredit zu bekommen, muss man 20.000 schon gespart haben. (Oder von „Oma“ bekommen haben.) Wenn man diese 20% nicht hat, bekommt man nur schwer einen Kredit.

 

Kreditvergabe und Eigenkapital bei Unternehmen


Ein wenig anders sieht es bei Unternehmen aus: Ihre Aufgabe ist grob gesprochen die Versorgung der Menschen mit Produkten, die für ein gutes Leben notwendig erscheinen. Um diese Aufgabe zu erfüllen, brauchen die Unternehmen Produktionsmaschinen, Einrichtungen (z.B. Schreibtische, Computer, etc.) und vor allem Personal. Alles kostet Geld. Gleichzeitig verdient das Unternehmen ja durch den Verkauf seiner Produkte und Leistungen wieder Geld. Sein Ziel ist es, so viele Einnahmen zu haben, dass unterm Strich alle Kosten gedeckt sind und gleichzeitig noch Geld (Gewinn) da ist, um zum Beispiel neue Maschinen zu kaufen oder neue Produkte zu entwickeln. Weil diese Investitionen in der Regel höher sind als das angesparte Geld, wird ein Unternehmen genau wie ein Privathaushalt einen Kredit aufnehmen. Die Bank wird deshalb wie bei jedem Privathaushalt zwei einfache Fragen stellen: Hat das Unternehmen schon gezeigt, dass es sparen kann – hat es also nennenswertes Eigenkapital? Das sieht man in den Bilanzen. Und macht das Unternehmen zweitens den Eindruck, als könne es den Kredit auch auf die Dauer zurückzahlen? Das sieht man in den betriebswirtschaftlichen Auswertungen, die das Unternehmen der Bank vorlegt. Ist das Unternehmen nicht so gut aufgestellt oder steht es noch am Anfang, wird es einen schlechteren Zins – oder gar keinen Kredit bekommen.

 

Kreditvergabe und Eigenkapital bei Banken

 

Bei Banken sieht das Ganze völlig anders aus: Ihre Aufgabe ist es (eigentlich), Privathaushalte und Unternehmen für Investitionen in die Zukunft entsprechende Kredite bereitzustellen. Dafür brauchen sie ebenso wie Privathaushalte und Unternehmen ein entsprechendes Eigenkapital.

 

Hier endet nun die Parallele zwischen Banken, Unternehmen und Privathaushalten. Das geht damit los, dass die Banken keine 20% Eigenkapital brauchen, sondern nur 4% - oder eben jetzt 6% plus 2,5 % Risikopuffer. Aber das ist nicht alles. Denn hier könnte man ja noch sagen: Ist doch prima, weil die Banken ja dafür da sind, Kredite zu vergeben. Deshalb muss man es ihnen leichter machen! Im Prinzip ist das auch richtig. Aber es kommt halt drauf an, wofür die Banken ihre Kredite vergeben. Aber dazu später mehr...

 

Interbankenkredite


Bis hierher alles klar? Gut! Nun stellt man sich also die einfache Frage: Wenn die Banken nur 4% „eigenes Geld“ haben müssen, woher kommt dann das Geld, das sie verleihen? Die Antwort: Die Banken leihen sich das Geld wieder von anderen Banken. (Diese Antwort ist zwar sicher nicht ganz richtig, aber zum Verstehen des Prinzips reicht sie aus.) Das geht insofern in Ordnung, als das System ja schon seit vielen Jahrzehnten gut funktionierte. Voraussetzung für das Funktionieren sind eigentlich nur drei Faktoren: Gutgehende Geschäfte bei den Banken, Kredite, die auch wirklich zurückgezahlt werden können - und Vertrauen zwischen den Banken! Wenn also eine Bank der anderen plötzlich nicht mehr trauen würde, wäre das fatal. Denn wenn Bank 1 der Bank 2 keinen Kredit mehr geben würde, dann könnte Bank 2 selbst nicht mehr so viele Kredite vergeben. Und Bank 3 würde mit Bank 4 das selbe machen. Und immer so fort.

 

Das ist grob gesprochen der Hintergrund der Finanzkrise: Plötzlich hörten die Banken auf, sich gegenseitig zu vertrauen und Kredite zu geben. Die Deutsche Bundesbank weist vom Jahr 2008 aufs Jahr 2009 einen Rückgang der Zahlungsaufträge in ausgewählten Interbankenzahlungssystemen von 221.374,7 Mrd Euro auf nur noch 171.299,0 Mrd. Euro. Wie eine andere Darstellung der Deutschen Bundesbank zeigt litten darunter  vor allem die Großbanken: Während bei Sparkassen und Volksbanken das Verhältnis „ihrer allgemeinen Verwaltungsaufwendungen zu den Erträgen aus dem operativen Bankgeschäft“ von 2007 auf 2008 stabil bliebt, verdoppelte sich der Wert bei Großbanken im selben Zeitraum von 68,1 % auf 128,2%. Auf deutsch heißt das soviel wie: Sie machten Verluste. Aber das weiß man ja....

 

Kredite wofür?

 

Um das eigentlich Problem zu verstehen, ist nun ein Faktor von ganz zentraler Bedeutung: Wofür genau brauchen und vergeben Banken Kredite? Natürlich: Zunächst sind das die Kredite an Privathaushalte und Unternehmen – und die bereits besprochenen Interbankenkredite. Aber darüber hinaus wurden gerade von den Großbanken in den letzten Jahren immer mehr sogenannte Hebelgeschäfte für sogenannte Zweckgesellschaften getätigt.

 

Zweckgesellschaften

 

Und das geht grob gesprochen so: Bank 1 hat in ihren Büchern Kredite für Immobilien liegen. Um diese Kredite aus den Büchern zu bekommen, wird zuerst eine sogenannte Zweckgesellschaft (ein Special Purpose Vehicle SPV) gegründet. Dann werden die Kredite durch Verbriefung in Pakete gebündelt und an die Zweckgesellschaft verkauft. Um diese verbrieften Kredite kaufen zu können, leiht sich die Zweckgesellschaft wieder Geld von einer Bank. Das ist der Trick, den wir kürzlich am Beispiel der Omega-Geschäfte der HSH Nordbank schon einmal beschrieben hatten.

 

Hebelgeschäfte

 

Aber es geht noch weiter: Denn die Zweckgesellschaft wird für den Kauf des verbrieften Pakets nicht den Wert bezahlen, der dafür genannt wird. Nein! Das geht ja auch noch anders: Sie wird sagen wir 10% des Preises aus eigenen Mitteln bezahlen. Für die anderen 90% nimmt sie wieder einen Kredit auf. Sie erklärt sich selbst um dem Kreditgeber, dass sie die Zinsen für den Kredit ja jederzeit leicht aus den Erträgen der Kredite, die ihrerseits in dem gekauften Kredit-Paket enthalten sind, erwirtschaften wird. Risikopuffer? Braucht man nicht so besonders. Weil ja diese Zweckgesellschaften im Zweifelsfall einfach in Konkurs gehen können. Wenn stört’s. Aber damit hatte der Finanzmarkt wohl die ganze Zeit gar nicht wirklich gerechnet. Man ging wohl wirklich davon aus, dass man auf diese Weise immer mehr und mehr Kredite für alles mögliche produzieren verbriefen und wieder verkaufen könnte. Und dass die Rechnung immer und immer wieder prima aufgehen würde. Wer’s wissen will: Das nennt man übrigens „pricing the deal to perfection“.

 

Und weil sie sich das so schön vorrechnen kann, kann sie eben mit einer Finanzstärke von sagen wir 10 Millionen nicht nur für 10 Millionen verbriefte Kredite kaufen, sondern eben in dem genannten Beispiel 10 mal so viele! Das heißt, man bezahlt pro 10 Millionen jeweils nur 1 Million ein – der Rest wird über Kredite finanziert. Das selbe macht man mit den anderen neun Millionen, die man zur Verfügung hat. Durch diese Art des Geschäfts erreicht sie eben mit nur 10 Millionen einen Hebel – ein leverage - von 10 x 10 Millionen. Also: 100 Millionen – davon sind 90% auf Kredit gekauft. Das ist ungefähr so, als würden wir uns nicht nur ein Häuschen kaufen, sondern gleich 10 davon....

 

Krise


Wie die Sache weiterging, ist bekannt: Mit dieser Art von hebelfinanzierten Zweckgesellschaften wurden insbesondere im amerikanischen Immobilienmarkt an jeden, der nicht bei drei auf dem Baum war, Immobilienkredite verkauft. Das machte den finanzierenden Banken ja nichts aus – denn sie wussten ja, dass sie diese Kredite sofort wieder verbriefen und verkaufen konnte. Und so wurde das Kreditvolumen erst nahezu ins Unendliche aufgebläht – um dann völlig wie ein kaputter Luftballon in sich zusammen zu sacken. Denn plötzlich sagten alle Banken: Aber er hat ja gar nichts an!...

 

Basel III

 

Als die Krise dann auf den Höhepunkt gekommen war und erstmal gar nichts mehr lief, begann man sich zu fragen, wie man dieser inflationären Kreuzundquer-Verbrieferei und den Hebelgeschäften irgendwie Einhalt gebieten konnte. Und da kam man eben auf die clevere Idee, den Banken vorzuschreiben, dass sie eben mehr Eigenkapital vorweisen können müssen, um eventuelle Verluste aus solchen Hebelgeschäften zu kompensieren. Man wollte also gar nicht die Hebelgeschäfte und Zweckgesellschaften verbieten. Sondern sie einfach nur ein wenig eindämmen. Warum eigentlich?

 

Mal wieder führend: Die Deutsche Bank

 

Das mag wohl auch daran liegen, dass eine bestimmte Bank sich selbst als weltweit führend im Bereich „leveraged finance“ bezeichnet und auch sonst genau in dieser Art von Geschäft viel Wind macht:

 

  • Global leadership in leveraged finance
  • The complete range of leveraged finance products and services
  • Effective and efficient product delivery
  • Streamlined credit and syndication processes

 

Rate mal welche Bank das wohl sein mag! Ja genau: Es ist die wundervolle, die herrliche, die großartige Deutsche Bank, die am 17.7.10 für ihr zweites Quartal einen Gewinn vor Steuern von 1,5 Mrd Euro auswies. Gute Lobbyarbeit ist halt wirklich was wert. Da soll man ja nix dran änder. Wo sich die Aktionäre der Großbanken doch so dran freuen können....

 

Fazit:

 

Das war ja jetzt ein langer Parforce-Ritt durch die Hintergründe von Basel III. Längst nicht alles wurde hier besprochen. Das Geflecht ist einfach zu komplex, als dass Otto und Ottilie Normalverbraucher das überhaupt noch verstehen könnten. Eines sollte aber klar sein: Der neoliberale Glaube an die Freiheit des Finanzmarktes scheint aufgrund guter Lobbyarbeit immer noch ungebrochen zu sein. Denn wie anders wäre zu erklären, dass nicht einfach die offenbar schädlichen und nur den Banken selbst dienenden Finanzinstrumente verboten wurden, sondern lediglich die Risiken eingedämmt werden sollen?

 

Glaubt wirklich jemand, dass die Gesellschaft und Volkswirtschaften Hebelgeschäfte und Zweckgesellschaften brauchen, mit denen man das Kreditvolumen ins Unendliche aufblähen kann? Warum verwenden so viele im Zusammenhang mit den Eigenkapitalquoten den Begriff „Last“ – anstatt einfach nur von „Sicherheit“ zu sprechen? Denken wir alle nur noch wie die Großbänker?

 

Im Grunde ist das Spiel doch ganz einfach: Banken sind dafür da, den Unternehmen und Privathaushalte vernünftige Kredite zu geben. Sie verwenden dafür das Geld, das sie von Anlegern bekommen. Idealerweise wird in jeder Region genug gespartes und bei Banken angelegtes Geld vorhanden sein, um die benötigten Kredite ganz ohne Hebel zu finanzieren. Bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken ist das schwerpunktmäßig der Fall. Und das ist einfach deshalb so, weil Sparkassen und Genossenschaftsbanken sich nicht wie die Großbanken in den letzten 20 Jahren neu erfunden haben und den Kunden nur noch als Instrument zur Schaffung neuer Hebel betrachten. Sie sind bei ihrer dienenden Funktion geblieben. Dass sie nun gegen Basel III Sturm laufen, kann man verstehen. Aber dazu in Kürze mehr....

 

Was können wir angesichts dieser ganzen Konstellation tun? Die Antwort ist kompliziert und einfach zugleich: Wir können uns – ehe wir unser Geld irgendwo investieren oder Kredite aufnehmen – sehr viel besser darüber informieren, was die Bank „mit uns“ macht. Sprudelt einem der Bänker schon etwas von Hebelgeschäften und Finanzmarkt entgegen, sollten wir einfach die Finger davon lassen. Ja, das wäre wohl das Beste. Um herauszufinden, welche Bank für uns gut ist, können wir unsere Bänker ja fragen

 

  • ob ihre Bank selbst an Zweckgesellschaften beteiligt ist
  • ob sie Hebelgeschäfte favorisiert
  • ob sie Kredite nur in der Region oder irgendwo auf der Welt vergibt oder kauft
  • wie hoch der Anteil der Kredite ist, die erkennbar im Zusammenhang mit Hebelgeschäften zustande kommen

 

Gefallen uns die Antworten, sollten wir bei der Bank bleiben. Wenn nicht? Ja, dann nicht.

 

Noch etwas? Ja, wenn Ihr Lust habt,

 

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