claim von gute-banken

FocusMoney, der Zins und die Arbeit. Oder: Ein Ausflug in die Theologie.

Manchmal weiß man nicht, soll man sich amüsieren oder ärgern: Innerhalb von zwei Tagen bastelt sich das Geldheft FocusMoney Begründungen für die Veränderungen der Bankenwelt zurecht, nutzt dafür theologische Argumente – und am Ende ziehen die Sparkassen und Genossenschaftsbanken wie üblich den Kürzeren…

Das Ganze beginnt mit einem Artikel, mit der markigen Headline „Wer braucht Institute für Strafzins? Wie sich die Banken gerade selbst abschaffen“ (28.11.2014) . Das Drollige an diesem Artikel- man will es kaum glauben: Jetzt muss schon die Theologie für die Erklärung des kranken System herhalten. Die Universität Münster habe nämlich, so lesen wir,  eine „bemerkenswerte Seminararbeit zum Thema Negativzinsen veröffentlicht“. Tatsächlich handelt es sich hier um die Seminararbeit eines Theologie-Studenten aus dem Wintersemester 09/10 mit dem Titel „Das Zinsverbot und extrinsische Zinstitel bei Thomas von Aquin“. Oh! Das ist ja mal beachtlich, so denkt man…

Das Dumme ist nur: Wie so oft macht sich das Geldheft die Welt, wie sie ihm gefällt. Das Thema und auch das Wort „Negativzinsen“, um das es hier gehe, kommt in der gesamten Seminararbeit schlicht nicht vor. Macht aber ja nichts. Denn am Ende mündet die kurze Beschreibung des Inhalts der Seminararbeit in die Frage „nach Leistung und Gegenleistung, die im Mittelpunkt der Kritik von Aristoteles und Thomas steht.“ Und diese durchaus berechtigte Frage ist für die Redakteure von FocusMoney:

Was leistet eine Bank für das ihr gegebene Geld, wenn sie Zinsen dafür verlangt, beispielsweise den teuren Dispo?

Hätten sie die gerade mal 18 Seiten starke Arbeit des Studenten der Katholischen Theologie  und der Christlichen Sozialwissenschaften mal wirklich gelesen, hätten sie dort sogar eine Antwort finden können. Denn dort findet sich unter anderem eben auch eine längere, aber durchaus gute Antwort auf diese Frage:

„Resultiert dieser Mehrertrag bei der Verwendung des Geldes jedoch aus diesem selbst? In gewisser Weise ist Geld für Thomas „die Wurzel (radix) des Erwerbs, jedoch nur ratione materiae, die Ursache des Gewinns als causa instrumentalis“. Es ist nicht hinreichende Ursache (causa non deficiens), d.h. aus sich selbst heraus kann das Geld nicht die alleinige und hinreichende Ursache des Gewinns sein. Was hingegen den Gewinn „eigentlich erzeugt und produktiv tätig ist, [...] ist die menschliche Arbeit. Letztere ist die causa activa des Gewinns und damit die causa principalis desselben.“ Somit bewirkt die Erstursache menschliche Arbeit erst die Ursache Geld. Der Mehrertrag, der dem Geldgeber als Beteiligtem der kaufmännischen Unternehmung über die zur Verfügung gestellte Geldsumme hinaus zukommt, resultiert für Thomas (von Aquin) stets aus der menschlichen Arbeit.“

Äh, was bedeutet das jetzt eigentlich genau? Naja, um das einmal einfacher und ein wenig schlichter zu sagen: Geld ist kein Selbstzweck, sondern macht nur dann Sinn und wirklichen Ertrag, wenn dafür und nicht nur damit gearbeitet wird.

Und das gilt eben auch für diejenigen, die für die Verteilung des Geldes arbeiten. Hier könnte man nun ja tatsächlich gerade bezogen auf Sparkassen und Genossenschaftsbanken schon eine gute Antwort auf die Frage nach der Leistung finden: Die regionalen Häuser halten im Gegensatz zu den Großbanken ihre Filialen auch dort vor, wo es sich nicht „rentiert“ – und sie tun eben genau das, was allgemein eingefordert wird: Sie sammeln das Geld der Sparer in der Region auf und verteilen es in der Region wieder als Darlehen. Und das macht eben durchaus auch Arbeit. Und diese Arbeit wird bei den Sparkassen von etwa 244.000 und bei den Genossenschaftsbanken von etwa 190.000 engagierten Menschen gemacht. Und zwar auch dann, wenn sich die einzelne Filiale "nicht rechnet". Aber über solche Zahlen und ihre gesellschaftliche Bedeutung denkt FocusMoney nicht nach.

Immer mehr Arbeit für weniger Ertrag

Ebenso wenig ist übrigens von den Aufwänden die Rede, die durch von den Übertreibungen und Krise „der Märkte“ ausgelösten zusätzlichen Aufwände für Kreditratings nach Basel II/III und der stetig anwachsenden sogenannten „Regulatorik“ – also des Aufwandes für den Nachweis und die Dokumentation von allem, was nicht bei drei auf dem Baum ist, entstehen. Auch das ist Arbeit – wenn auch eine Arbeit, bei der man sich fragen dürfte, wem sie am Ende eigentlich dienen soll: Dem Bankkunden oder den Großbanken, die sich aufgrund ihrer zentralen Organisation hier sehr viel leichter behelfen können und ihr Geld mit Wetten verdienen. Gerade den kleinen Häusern macht diese zusätzliche Arbeit - das wissen wir aus zahlreichen Gesprächen mit den Verantwortlichen – das Leben immer schwerer.

Wer profitiert?

In diesem Sinne scheint der Artikel über den – in Wahrheit gar nicht erwähnten Negativzins – auch nur eine Hinführung zum am darauf folgenden Tag erschienen Artikel mit der auch wieder markigen Headline „Commerzbank-Chef Blessing: Fusionswelle bei Sparkassen und Volksbanken erwartet“, (FocusMoney 29.11.14) zu sein. Dort wird nämlich der Commerzbank-Chef zitiert:

Der vermute nämlich, dass es eine Fusionswelle unter deutschen Genossenschaftsbanken und Sparkassen geben werde. Er vermute, die Konsolidierung werde zum großen Teil in Deutschland stattfinden - und nicht im Privatbanken-Sektor. Denn immerhin gebe es ja in Deutschland noch etwa 2000 Banken – wohingegen es in Spanien nur noch 20 Banken gebe. Ja, danke für den Hinweis…

Und dann kommt er tatsächlich auch noch auf das Thema Regulatorik bzw Basel III zu sprechen: Dort, so der Commerzbank-Chef Blessing, hätten ja gerade die Genossenschaftsbanken „Schwächen“.

Was soll man dazu nun noch sagen?

Ja, man kann trotz aller theologischen Hinführung schon verstehen, dass die regionalen Häuser in ihrer Vielzahl die Großbanken stören und ihnen im Wege stehen. Aber zum Glück sind sie nach wie vor die tragenden Größen der deutschen Wirtschaft. Und zum Glück wissen die meisten von ihnen auch noch, wofür sie da sind: Sie erfüllen ihre dienende Funktion in ihren Regionen. Und das wissen die Menschen und sind ihnen dafür dankbar, dass sie ihre Arbeit machen und die Wertschöpfung und den Wohlstand in der Region unterstützen – auch wenn es sich nicht immer und überall für sie lohnt…

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