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Sind Rating Agenturen auch für das schlechte Wetter verantwortlich?

Ach ja, die Rating Agenturen – die sind jetzt grad an allem Schuld. Vor allem an schlechten Bewertungen. Griechenland ist ja nur ein Beispiel. Vorher waren es ja die amerikanischen subprime residential mortgage — backed securities (RMBS) und collateralized debt obligations (CDO). Sprich: die Immobilienkrise. Da waren angeblich auch die Rating-Agenturen die Auslöser. Weil sie diese völlig intransparenten und mit Hebelgeschäften finanzierten Pakte irgendwann abgewertet haben und damit „die Finanzkrise ausgelöst“ haben. Stimmt das denn? Machen die Meteorologen das Wetter? Wie immer ist es hilfreich, ein wenig tiefer zu graben...

Rating-Agenturen sind dafür da, alle an der Börse gehandelten Werte zu prüfen und zu raten (sprechen Sie das Wort bitte auf denglisch aus, sonst könnte es zu einer Veränderung seines Sinns kommen). Sie erfüllen diese Aufgabe allerdings nicht im Auftrag der einzelnen Banken und Anleger. Sondern im Auftrag von Institutionen wie der Securities and Exchange Commision (SEC), also der amerikanischen Börsenaufsicht. Großer Unterschied!

Was ist eine Rating Agentur? Eine Rating Agentur ist eine Gruppe von Menschen, meistens ehemalige Banker, die Unterlagen studiert und Berichte schreibt. Rating-Agenturen haben in diesem Sinne eine Kontroll- und eine Zweit- oder Drittbewertungsfunktion. Aber sie haben originär keine Steuerungsfunktion „im Markt“.

Man wundert sich, warum sich noch kaum jemand mit diesem einfachen Gedanken beschäftigt hat:

Der Prüfer ist nicht der Entscheider

Ein einfaches Beispiel: Wenn ich einen Gebrauchtwagen mit „TÜV neu“ kaufe, dann fahre ich doch selber vorher auch Probe. Ich sehe mir das Auto vorher genau an, lege mich vielleicht mal drunter um nach Rost zu sehen, gucke mir den Motor an – und wenn ich davon so gar nichts verstehe, dann nehme ich jemanden mit, der sich damit auskennt. Ich überlege mir genau, wie groß das Risiko ist, das ich mir da einkaufe.

Frage: Befreit mich der Umstand, dass eine amtlich beauftragte Institution ein Produkt geprüft und bewertet hat, etwa von der Verpflichtung, selbst zu prüfen und meine Entscheidung zu verantworten? Sicherlich nicht. TÜV-Plakette hin oder her: Die Entscheidung liegt bei mir. Es sei denn, ich wäre ein Teilnehmer am globalen Finanzmarkt. Denn da scheint diese Regel weithin außer Kraft gesetzt zu sein. Dafür scheint es zwei Gründe zu geben: Erstens weil das Rating gerade bei Fonds-Managern dazu führt, dass sie ein Produkt, das beispielweise nicht mehr AAA bewertet ist, quasi automatisch abstoßen und durch ein anderes ersetzen. Und zweitens weil man im Anlagebereich offenbar von vornherein davon ausgeht, dass die Urteilskraft der Verkäufer und Entscheider durch Provisionen und Gier getrübt sein könnte. Wenigstens schreibt das sinngemäß die deutsche Bundesbank in ihrem Monatsbericht September 2003 , in dem es im Zusammenhang mit Basel II-Ratings um den Zusammenhang von provisionsgetriebenem Geschäft und Objektivität geht:

„In diesen Fällen sollte die endgültige Ratingkompetenz im Bereich „Marktfolge“ und keinesfalls im Bereich „Markt“ liegen. Dies gilt umso mehr, wenn die Vertriebsmitarbeiter volumenabhängig vergütet werden. Zu den qualitativen Kriterien gehört deshalb, dass die Ratingvorentscheidung, die potenziell durch den Kundenbetreuer geschehen kann, durch einen unabhängigen Dritten überprüft und bestätigt wird.“ Quelle: Bundesbank "


Die deutsche Bundesbank spricht hier wohlgemerkt nicht von Institutionen wie Rating-Agenturen, sondern einfach nur von inneren Rating-Abteilungen der Banken. Also Instanzen innerhalb der Bank, die dafür da sein sollten, den oft allzu großen Erfolgsdruck des Vertriebs innerhalb der Bank in verantwortliche Bahnen zu lenken. Um hier eine Leitlinie zu geben, definiert die Bundesbank die Notwendigkeiten wie folgt:

„Ein stabiles Ratingsystem zeichnet sich dadurch aus, dass es die Ursache-Wirkung-Beziehung zwischen den Risikofaktoren und der Bonität adäquat modelliert. Es vermeidet Scheinabhängigkeiten auf Grund empirischer Korrelationen. Im Gegensatz zu stabilen Systemen weisen instabile Systeme häufig eine im Zeitablauf stark nachlassende Prognosegüte auf.“ Quelle: Bundesbank "


Ganz offenbar krankt das Gesamtsystem an instabilen Rating-Systemen. Das liegt aber ja nun nicht daran, dass die Rating-Agenturen einzelne Werte plötzlich herauf- oder herunterstufen. Sondern an dem Erstaunen, das solche Abwertungen allgemein hervorrufen. „Ach Gott, wenn wir das gewusst hätten, dann hätten wir aber nicht investiert!“ Oder eben: „Ach Gott, da müssen wir aber den Zins raufsetzen – Sie wissen schon: Risikovorsorge.“

Entscheiden heißt verantworten

Die Rating-Agenturen verkaufen ihre Analysen zwar oft für viel Geld an Großbanken und andere Institute, die sich mit Krediten und Anlagen beschäftigen. Und die Institute nutzen diese Ratings und Analysen zwar als Unterstützung für die einige Kreditprüfung. Aber dennoch sind sie von ihrem Konzept her nichts anderes als eine dritte Meinung. Jeder Banker sollte wissen, dass die Rating Agenturen auf keinen Fall eine eigene, detaillierte Prüfung ersetzen können. Der Kreditanalyst soll selbst anhand der Zahlen das Risiko für die Bank einschätzen. Der Verdacht liegt allzu nahe, dass die Analysen der Rating Agenturen im Turbo-Finanzmarkt direkt als Entscheidungskriterien für die Zusammensetzung von Investitionsportfolien genutzt werden. Das wäre fatal.

Mag sein, dass die Rating Agenturen kapazitativ und qualitativ an ihre Grenzen gestoßen sind. Aber sie sind sicherlich nicht die Auslöser der verschiedenen Krisen. Denn die liegen dort, wo eben zu kurzfristig gedacht, zu wenig geprüft und zu wenig Verantwortung übernommen wurde. Man muss nicht jedes Geschäft machen, nur weil man es machen kann.

Welchen Banken kann man vertrauen?

Die primäre Aufgabe jeder Bank besteht darin, Risiken einzuschätzen und verantwortungsvoll damit umzugehen. Insbesondere wenn die Risiken, wie im Falle einer Verbriefung, weiter verkauft werden, kann der Anleger eine saubere Risikoanalyse des Verkäufers erwarten. Oder noch besser: er lässt die Finger von solchen Dingen. Die Internationalisierung, Digitalisierung, Virtualisierung und Fragmentierung der Verantwortlichkeit haben das Bankgeschäft zu einem schnellen, komplexen und gefährlichen Spiel gemacht, auch Investmentbanking genannt. Chancen und Risiken werden künstlich multipliziert, Gewinner gibt es wenige, Verlierer viele. Und am Ende muss die Gemeinschaft auch die Verlierer unter den Banken und Versicherungen stützen.

Was ist zu tun? Jeder sollte sich das überlegen und seine Kriterien für die Zusammenarbeit mit einer Bank neu überdenken. Denken Sie daran, dass die meisten Großbanken selbst börsennotiert sind – und deshalb auf gute Ratings schielen müssen. Und die Ratings werten nicht nach Verantwortung, sondern nach Kriterien wie Return on Equity. Es macht Sinn, darüber nachzudenken. Denn immerhin gibt es ja noch genug Banken, die von solchen Bewertungen nicht abhängig sind, weil sie anderen Zielen folgen. Dazu gehören nun mal eindeutig die Sparkassen und Volksbanken.

Also: Wenn Sie das nächste mal Geld anlegen wollen, dann fragen Sie Ihre Bank einfach, wie viel Aufwand sie selbst bei der Bewertung dessen macht, was sie Ihnen zur Geldanlage anbietet. Fragen Sie nicht nur nach Zinsen, sondern stellen sie Fragen wie: Sind das Produkte aus dem eigenen Haus? Wie aufwendig ist das interne Rating? Wie hoch ist die Schwankungsbreite? Und versuchen Sie sich selbst ein Bild zu machen von dem Fonds oder dem Unternehmen, das Ihnen empfohlen wird.

Wenn wir alle solche Fragen stellen und wieder zu mündigen Anlegern werden, dann können auch Rating-Agenturen wieder ihre ursprüngliche Funktion erfüllen. Das Abgeben einer Drittmeinung zur Sicherung eines stabilen Systems. Und nichts anderes ist ihre Funktion. Egal, was da draußen alles erzählt wird.
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