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Warum Aktionäre die Deutsche Bank (eventuell) nicht mehr mögen. Oder: autistische Ökonomie…

Kaum verwunderlich – aber doch bemerkenswert: Die Süddeutsche Zeitung („Deutsche Bank: Misstrauen in Serie“, 8.5.15) berichtet über verschiedene Initiativen von „Aktionärsschützern“ gegen die Deutsche Bank. Dem sonst immer alles besser könnenden Haus weht ein kalter Wind um die Nase: Es wird empfohlen, dem Vorstand bei der Aktionärsversammlung keine Entlastung zu erteilen. Das hat bei genauerer Betrachtung viele Dimensionen – darunter auch eine besonders schräge…

Die Deutsche Bank, so fasst der Artikel zusammen, sei “immer wieder in Klagen und Skandalfälle verwickelt“ verwickelt gewesen. Das kann man laut sagen und dürfte weithin bekannt sein. Richtig interessant sind bei diesem Artikel allerdings die Gründe, die seitens der Aktionärsschützer und -vereinigungen für eine mögliche Nicht-Entlastung genannt werden. Ein wesentlicher Kritikpunkt der Aktionärsschützer sei nämlich das „mangelhafte Risikomanagement“ im Skandal um die Manipulationen des Zinssatzes Libor.

Wir erinnern uns: Für die mit einiger rücksichtsloser Energie angetriebenen Zinsabsprachen bei der Bestimmung des Interbankenzinses musste die Deutsche Bank 2,5 Milliarden Dollar zahlen. Was natürlich den Gewinn – und damit auch die Dividende der Aktionäre schmälerte.

Allerdings sollte man dabei auch sehen: Der heutige Vorstand der Bank muss ja im Grunde ja vor allem die Scherben der Geschäftspolitik ihres Vorgängers wegkehren. Sie nagen also noch an der von Josef Ackermann in einem vollmundigen Interview mit dem Handelsblatt („Wir brauchen eine neue Risikomoral“, 23.12.10) platzierten Regel: „Grundsätzlich aber gilt schon: Wer ein höheres Risiko eingeht, muss auch die Konsequenzen tragen, wenn es schiefgeht.“ Ob er damals schon wusste, was da auf die Führung der Bank zukommen könnte? Man weiß es nicht.

Kommunikationsprobleme?

Allemal geht es bei der aktuellen Vorwurfslage gegen den neuen Vorstand tatsächlich eher darum, dass die Führung der Deutschen Bank einfach die Regulierungsbehörden und den Angriff von außen offenbar nicht ernst genug genommen hätten. In diesem Sinne ist der Vorwurf, der gegen die neuen Chefs am stärksten ist: Sie haben das Erbe Ackermanns, nicht gut genug weggekehrt, weil sie offenbar nicht auf die Image-Aspekte einer Zusammenarbeit mit den Behörden geachtet und keine wirklich wirksamen Statements abgegeben haben.

Das konnte der schlaue Ackermann tatsächlich besser. Denn der forderte ja schon Ende 2010, als die Vorwürfe erst begannen, gleich mal eine „neue Risikomoral“. Weil ja kein Geschäft wichtiger wäre „als der Ruf der Bank“. Sprach’s und machte genauso weiter. Denn leider kam dieser leere Appell auch damals schon zu spät… und nun wirken sich die Versäumnisse und Irrwege der Bank eben auf genau das aus, was Ackermann vollmundig apostrophiert hatte: Den Ruf der Bank.

Der gute Ruf werde, so zitiert die Süddeutsche einige Anlegerorganisationen, „erodiert“ und „fundamental beschädigt“. Dabei gehe es nicht nur um das Vertrauen der Aktionäre, „sondern auch das anderer Marktteilnehmer und der Regulierungsbehörden".

Soviel hierzu:  Und jetzt steht für uns wie immer die Frage im Raum:

Was lehrt uns dieses?

Da gäbe es eventuell schon noch einen anderen Aspekt der tatsächlich interessant sein könnte:

Wem dient(e) die Deutsche Bank noch?

Nämlich den Umstand, dass nun genau diejenigen, auf die sich die Deutsche Bank seit jeher bezog und mit deren Bedürfnissen sie alles, was nicht bei drei auf Baum war, rational erklärten, das Verhalten der Bank auch nicht mehr drollig finden: Ihre eigenen Aktionäre!

Und das ist nun schon etwas Neues. Wenn man das mal so sehen will, stellt sich also schon die Frage:

Wenn ein Finanzmarkt-Player wie die Deutsche Bank noch nicht mal mehr ihren Aktionären richtig dient – sprich: sie nicht zufrieden stellen kann – wem dient sie dann eigentlich wirklich?

Am besten machen wir kurz eine Liste einiger „Stakeholder“ der Deutschen Bank:

  • Eines kann man mal feststellen: Die kleinen Kunden sind es nicht. Die hat die Deutsche Bank nun wirklich schon viel zu deutlich in die zweite Reihe geschoben – damals mit der Gründung der Deutschen Bank 24, in die sie abgeschoben wurden. Und auch grade in diesen Tagen, in denen sie sich wieder von der Postbank trennen will.
  • Sind es die Regulierungsbehörden? Nein, so kann man wohl klar sagen, die sind es auch nicht.
  • Also, und wie wir nun sehen: Die Aktionäre sind es augenscheinlich auch nicht.
  • Bleiben eventuell die Investoren in „den Märkten“, denen Co-Vorstand Jain zu Diensten sein musste, weil sie ihr Geld, so sagte er einmal in einem Interview, „sonst wo anderes parken würden“? Mag sein.

Aber was, wenn die Deutsche Bank – oder gar das ganze System – nicht nur die Anbindung an ihre Stakeholder, sondern auch die Einbindung in die Realität verloren hat? Auf gewisse Weise hat das Spiel dann entweder autoaggressive oder eben – mit Verlaub – autistische Züge – angenommen. Die Verbindung zur Außenwelt ist gekappt.

Und jetzt wird es richtig interessant:

Das Konzept der „autistischen Ökönomie“

Schon vor über drei Jahren faszinierte uns ein Artikel in Spiegel-Online („Lernt unsere Sprache, bevor ihr mitredet“, 5.1.12), in dem es über eine Revolte französischer Wirtschafts-Studenten ging: Ein Lehrstuhlinhaber für Volkswirtschaft versuchte damals verzweifelt, seine Wissenschaft gegen den Vorwurf zu verteidigen, dass sie „eine marktradikale, hyperrationalistische Religion“ wäre, die nur dazu da sei, „Ausbeutung durch Finanzkapitalisten zu legitimieren“. Der Professor macht sich mal ordentlich Luft, indem er sagte: Ob Journalisten, die drüber schrieben oder junge Studenten - die hätten ja alle keine Ahnung.

Besonders interessant in diesem Artikel war die Erwähnung des Konzept der wohlgemerkt französischen Studenten für eine „post-autistische Ökonomie“ – sinngemäß die Frage, ob die Volkswirtschaftslehre im Ganzen nicht eventuell zuviel ausrechne und zuwenig über ihre Funktion als Sozialwissenschaft nachdenke – und deshalb Anzeichen von Autismus trage. Die nicht oder nur schwach ausgeprägte Unfähigkeit zur sozialen Interaktion.

Spurensuche

Die Verknüpfung der Finanz-Ökonomie mit autistischen Zügen und die Forderung einer „post-autistischen“ Ökonomie geht übrigens auf einen Artikel in Le Monde vom 21.6.2000 („Des étudiants en économie dénoncent le manque de « pluralisme » de l'enseignement dispensé“) zurück, auf den der Post-Autismus-Begriff heute allgemein basiert wird. In diesem französischen Artikel wird übrigens auch der „Vater der Ökonometrie“ Malinvaud zitiert, der auf einem Kongress mal die Frage gestellt habe, ob die mathematische Modellierung nicht zu häufig angewandt würde. Denn schließlich sei sie nicht dazu da, „abstrakte Modelle für imaginäre Wirtschaftsmodelle zu produzieren.

Ja. Das trifft es ganz gut. Oder?

Fazit:

Was heißt das eigentlich konkret, wenn einem Vorstand zum Ende des Geschäftsjahres keine Entlastung erteilt wird? Man kann es so sagen: Zum Einen ist es ein Ausdrucksmittel für diejenigen, die dem Unternehmen durch den Kauf der Aktien ihr Geld anvertraut haben, um es zu mehren. Wenn es also tatsächlich nicht zu einer Entlastung käme, würde das soviel bedeuten wie: Wir sind nicht zufrieden.

Und das wäre dann der Moment, wo die Realität die Bank wieder auf sich aufmerksam machen würde. Ob dieser Weckruf laut genug ist, um ein auf sich selbst fokussiertes System zum Umdenken zu bewegen? Man wird sehen. Zu wünschen wäre es allemal. Nicht nur für die beiden Vorstände, die derzeit auch medial gerupft werden wie die Hühner. So etwas will keiner haben.

Übrigens: Natürlich kann eine Nicht-Entlastung eventuell auch wie bei Vereinsvorständen zu rechtlichen Konsequenzen, wie zum Beispiel Haftungsansprüchen kommen. Allerdings dürfte eine wirkliche Belastung des Vorstands eher unwahrscheinlich – und wenn überhaupt durch entsprechende Versicherungen abgedeckt sein. So eine sogenannte D&O-Versicherung (Directors-and-Officers-Versicherung, gern auch Organ- oder Manager-Haftpflichtversicherung) ist im Grunde genau dasselbe wie das, was ein wesentlicher Bestandteil der von der Realität abgelösten Spielsucht der Märkte und Großbanken gewesen ist: Die sogenannten Credit Default Swaps (CDS) mit denen nicht zuletzt auch der Flächenbrand der Subprime-Krise beschleunigt wurde. Naja, aber das ist eine andere Geschichte…

Noch etwas? Ja vielleicht das eine noch: Muss man sich Sorgen machen, dass auch regional engagierte Häuser sich irgendwann nur noch um sich selbst und ihre eigene Sprache drehen werden? Wohl eher nicht. Denn die erhalten das Feedback ihrer Stakeholder aus der Realität deutlich direkter als Großbanken. Auf unserem Portal gute-banken.de in vielen Fallen sogar schon in Form der Möglichkeit zum Dialog…

 

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