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„Für alle Zeiten": Wie sich die Deutsche Bank die Postbank kaufte.

Oder: Pflichtnamensumtauschschuldverschreibungen.

Es ist einigermaßen bekannt: Die Deutsche Bank verschafft sich die Mehrheit über die Postbank. Zunächst wollte sie ganz einfach zunächst 29,75% der Postbank-Aktien kaufen. Dann überlegt sie sich etwas anderes: Eine Methode, mit der sie für weniger Geld mehr Anteile bekam – bzw. deutlich weniger haftendes Kapital dabei verbraucht. Das Zauberwort ist genauso kompliziert wie der Deal: Pflichtnamensumtauschschuldverschreibungen. Bitte was?


Achtung, jetzt wird's kompliziert - also der Reihe nach: Im Oktober 2008 wollte die Deutsche Bank zunächst einfach nur 29,75% der Postbank-Aktien kaufen. Weil bei solchen großen Übernahmen das Kartellamt ins Spiel kommt, meldete sie den Deal so an. Was sich die Deutsche Bank von diesem Deal erträumte: In der Berliner Morgenpost war unter der Headline „Deutsche Bank kauft Postbank" am 13. 9.08 zu lesen:

Für einen Moment strahlte das ohnehin schon zufriedene Gesicht von Josef Ackermann noch mehr als zuvor. Einen "smart move" habe die Deutsche Bank unternommen, einen schlauen Schritt, schwärmte der Vorstandschef mit einem Lächeln auf den Lippen. "Mit einem relativ begrenzten Kapitaleinsatz sichern wir uns für alle Zeiten die dominante Position in der größten Volkswirtschaft Europas."

Dann kam die Krise. Und weil auch die wunderbare Deutsche Bank ihr Geschäftsjahr 2008 mit Milliardenverlusten abgeschlossen hatte, überlegt sie sich das Anfang 2009 dann nochmal anders. Not macht erfinderisch ...

 

Die drei Phasen-Planung: Phase 1 – Normaler Aktienkauf

Nun sollte es also anders laufen: Das Bundeskartellamt beschreibt das in seinem Fallbericht „Großfusionen im Bankensektor" folgendermaßen:

... wollte die Deutsche Bank Anfang 2009 in einem ersten Schritt lediglich 22,9 % der Anteile an der Postbank von der Deutschen Post AG (Deutsche Post) sowie daneben weitere Anteile aus dem Streubesitz erwerben und so einen Anteil an der Postbank von 25 % plus eine Aktie erreichen(...). Im Gegenzug sollte die Deutsche Post mit einem Anteil von 8 % - fusionskontrollfrei – Gesellschafterin der Deutschen Bank werden.

Da wird sich der eine oder die andere jetzt fragen: Was hat die Deutsche Post AG damit zu tun? Die Antwort dürfte einleuchten: Die Deutsche Post AG ist zu diesem Zeitpunkt Mehrheitsgesellschafter der Postbank. Die Deutsche Post AG gehört zu noch 30,5 % noch der KfW Bankengruppe - also dem Staat. Von den restlichen Aktien liegen 62,4 Prozent bei institutionellen Investoren.

Seltsame Parallele zu der geplanten Transaktion: Der Aktienkurs der Postbank war im Zeitraum vom 31.12.07 bis zum 31.12.08 von 60,75 Euro pro Aktie auf nur noch 15,50 Euro gefallen. Im November 2008 wurden im Rahmen einer Kapitalerhöhung 54,8 Millionen neue Postbank-Aktien ausgegeben. Der Bruttoemissionserlös betrug rund 1 Mrd. €. Die neuen Aktien wurden zu 99,3 % von der Deutschen Post AG übernommen, die damit ihren Anteil an der Postbank AG auf zirka 62,3 % steigerte. Mit 1 Mrd. Euro pumpte die Deutsche Post also die Marktkapitalisierung der Postbank auf. Damit schuf sie die Voraussetzungen, um sich zunächst eine solide Mehrheit zu verschaffen – die sie nachher schön an die Deutsche Bank verkaufen konnte. Dass dabei die Anteile der anderen Aktionäre verwässert wurden, liegt in der Natur der Dinge. Egal. Die Marktkapitalisierung lag zum 31.12.08 bei 3,391 Milliarden Euro. Im Jahr zuvor hatte sie noch beim Dreifachen (9,963 Mrd) gelegen. Ein Schnäppchen also, das sich die Deutsche Bank gerne einverleiben wollte, damit Ackermann wie beschrieben was zu grinsen hatte. Wäre da eben nicht der missliche Umstand gewesen, dass die Deutsche Bank 2008 eben auch 4 Milliarden Verlust gemacht hätte...

Nun stellte sich die Sache also im Prinzip so dar, dass Aktionäre der Deutschen Post AG durch die Beteiligung der Deutschen Post an der Deutschen Bank dort mit 8% den zahlenmäßig größten Anteil halten, den ein einzelnes Investor an der Deutschen Bank überhaupt hat. Eigentlich ist das also einfach ein Aktientausch. Eigentlich aber doch nicht...

 

Phase 2: Aktien kaufen und so tun, als wäre es nicht so

Denn nun erfand man eine Konstruktion, die es der Deutschen Bank erlaubte, anstatt eben die Mehrheit für 2 Milliarden zu kaufen und dadurch die Bücher zu belasten, sich den selben Effekt mit nur einer Milliarde Einsatz zu sichern. Hier greift nun das schon genannte Zauberwort: Pflichtnamensumtauschschuldverschreibungen...

Und das geht einfach gesprochen so: Die Deutsche Bank zeichnet eine Pflichtumtauschanleihe der Deutschen Post. Sie leiht ihr also Geld. Der Zins, der dafür angesetzt wurde, liebt bei 4%. Der Ablauf der Anleihe wurde auf drei Jahre festgesetzt. Nun kommt der Trick: Nach Ablauf von drei Jahren zahlt die Deutsche Post der Deutschen Bank das Geld nicht zurück. Nein! Sie tauscht es Aktien der Postbank um. Bezahlt also in Aktien. Inklusive der aufgelaufenen Zinsen sind das etwa 60 Mio. Aktien, oder 27,4 Prozent, der Postbank. Damit wird die Deutsche Bank dann zusammen mit den bereits „legal" gekauften 22,9% der Anteile an der Postbank dann zusammen eben – wie es der Zufall will – 50,3% haben. Und damit die Mehrheit.

 

Phase 3: Den Rest kaufen – und so tun, als wäre es nicht so

Um sich diese Mehrheit weiter zu sichern bzw. zu vergrößern, wurden in dem Gesamtdeal auch noch Optionen auf den Rest der nicht im Streubesitz befindlichen Aktien vereinbart. Und das geht laut der Pressemeldung der Deutschen Bank mit der Überschrift „ Deutsche Bank und Deutsche Post passen die Struktur des Postbank-Beteiligungsvertrags an" (14. 1. 09) so:

Für die verbleibenden Aktien (26,4 Mio. Aktien bzw. 12,1 Prozent) bestehen weiterhin Kauf- und Verkaufsoptionen. Die Optionen werden durch die Zahlung des Barwertes zum Zeitpunkt des Closing in Höhe von Euro 1,1 Mrd. besichert. Die Fristen zur Ausübung der Optionen laufen nun zwischen dem 36. und 48. Monat nach Abschluss der Transaktion.
Durch Besicherung der Verkaufsoption und durch die Zeichnung der Pflichtumtauschanleihe erhält die Deutsche Post unmittelbar liquide Mittel von voraussichtlich Euro 3,8 Mrd. wovon Euro 3,1 Mrd. bereits am 2. Januar 2009 an die Deutsche Post geflossen sind.

Wird die Deutsche Bank diese Optionen ziehen? Da kann man ja nur raten. Aber wir würden eben mal raten: Nachdem die Deutsche Bank die Übernahme der Postbank zum erklärten Ziel gemacht hat und die Option mit 1,1 Milliarden Euro besichert hat, wird sie es tun. Die Berliner Morgenpost schreibt dazu im genannten Artikel:

Ob er die Option ziehen wird, ließ der Vorstandschef offen. "Wir werden dies nur tun, wenn es strategisch Sinn macht und Mehrwert für die Aktionäre bringt."

Ja, wenn es Mehrwert für die Aktionäre bringt, machen Ackermann und seine Deutsche Bank ja alles. Die Kunden der Postbank sind im wohl weniger wichtig.

 

Warum um die Ecke, wenns auch gradeaus geht?

Nun könnte man sich fragen: Warum wurde dieser ganze seltsame Deal, bei dem es doch ganz eindeutig und ausschließlich um die Übernahme der Postbank geht, so kompliziert gestaltet? Der Grund dafür ist noch so ein Begriff, mit dem Otto Normalverbraucher wenig zu tun hat: Tier 1 Capital Consumption – oder Verzehr von haftendem Eigenkapital. Hätte die Deutsche Bank die Mehrheit an der Postbank einfach so gekauft, hätte sie dafür 2,2 Milliarden Euro an haftendem Eigenkapital einsetzen müssen. Durch den ums Eck-Deal ist es nur noch 1 Milliarde.

Haftendes Eigenkapital? Was ist das nun wieder? Auch hier eine einfache Erklärung: Das Kreditwesengesetz schreibt vor, dass Banken im Interesse der Erfüllung ihrer Verpflichtungen gegenüber den Gläubigern, insbesondere im Interesse der Sicherheit der ihm anvertrauten Vermögenswerte, ein angemessenes Eigenkapital aufweisen. Das haftende Eigenkapital ist also ein Art Sicherheitsrücklage, die unter anderem auch definiert, wie viele Kredite (risikotragende Aktiva) man ausreichen darf. Und die Deutsche Bank will natürlich möglichst viele Kredite ausreichen. Weil das ja den Aktionären gefällt – damit verdient sie Geld. Diese risikotragenden Aktiva dürfen aber das 12,5-fache des haftenden Eigenkapitals nicht überschreiten. Ergo will die Deutsche Bank zwar den großen Deal mit der Postbank machen – aber dadurch möglichst wenig von seinem haftenden Eigenkapital einsetzen. Durch den Deal mit den drei Phasen muss sie das nicht. Müssen wir das als normale Menschen verstehen? Nein. Es reicht zu wissen, dass die Deutsche Bank sich damit sowohl die Möglichkeit der Übernahme der Postbank als auch möglichst viel Eigenkapital sichert. Es wird nur einfach anders verbucht...

 

Für alle Zeiten?

Lassen wir uns vor diesem Hintergrund nochmal das Zitat von Ackermann aus er Berliner Morgenpost auf der Zunge zergehen:

"Mit einem relativ begrenzten Kapitaleinsatz sichern wir uns für alle Zeiten die dominante Position in der größten Volkswirtschaft Europas."

Die dominante Position für alle Zeiten? Doppelter Einspruch!

1. Die dominante Position im deutschen Markt hat nicht die Postbank. Sondern die Sparkassen und Volksbanken. Sie halten nach wie vor den größten Marktanteil. Hierzu noch einmal ein Ausschnitt aus dem Papier des Kartellamts:

Bei einer regionalen Marktabgrenzung im Bereich des Privatkundengeschäfts waren (...) wettbewerbsrelevante Abweichungen bei den o.g. Marktanteilen nicht festzustellen, selbst wenn berücksichtigt wird, dass die Filialpräsenz der beteiligten Großbanken im Vergleich zu Sparkassen und Volksbanken signifikante Unterschiede zwischen eher städtischen und eher ländlichen Gebieten aufweist.

Die Deutsche Bank ist dort, wo man Geld machen kann. Sparkassen und Volksbanken sind dort, wo Geld gebraucht wird. Das ist wohl der Unterschied, der die Dominanz ausmacht.

2. Für alle Zeiten? Wie lange wird es dauern, bis die Deutsche Bank ihre Privatkunden wieder mal aus ihrem Geschäft hinauskomplimentieren wird? Für alle Zeiten ist schon ziemlich lang. Oder?

Aber man muss eben immer genau lesen: Ackermann sagt nicht, dass er die Postbank für alle Zeiten behalten will. Er hat sich eben nur die Möglichkeit gesichert, die Postbank für alle Zeiten zu besitzen und ihre Kunden im Interesse der Aktionäre auszulutschen. Man darf gespannt sein wie lange es dauert, bis man wieder ein interessanteres Geschäftsfeld findet. Und was dann noch von der Postbank übrig bleiben wird....

 

Fazit:

So, nun haben wir also gelernt, wie man mit bilanzwirksamen Tricks „mit relativ begrenztem Kapitaleinsatz" Schnäppchen machen kann, seine Fantasie von der Marktbeherrschung ausleben kann und gleichzeitig durch die Investition bezüglich des Eigenkapitals kein größeres Risiko eingehen muss. Das mag dem einen oder der anderen sogar als smart move erscheinen. Im Grunde ist es amtlich anerkannte Augenwischerei.

Die Postbank war in Schieflage, der Deutschen Post AG ging's auch nicht so gut. Der Deutschen Bank zwar auch nicht – aber das macht ihr nichts aus. Sie will in Deutschland ja unbedingt in allem die Marktführung haben. Deshalb hat sie ja parallel auch schon das Bankhaus Sal. Oppenheim für kleines Geld gekauft. Warum sie das tut, wissen wir auch zur Genüge: Um ihren Aktionären zu gefallen. Das ist das einzige, was sie offenbar interessiert. Ach so, und Macht natürlich.

Und während sich die Deutsche Bank um ihre Strategie kümmert, kümmern sich andere um das, was nottut: So war am 9.3.2010 zum Beispiel bei Finanznachrichten.de zu lesen:

Bei der Kreditvergabe an Gewerbekunden - also an wirtschaftlich Selbstständige - kommt mittlerweile mehr als jeder vierte Euro oder 27,1 Prozent von den Volksbanken und Raiffeisenbanken. Vor zehn Jahren lag dieser Marktanteil noch bei 22,5 Prozent.

Was soll man da noch sagen oder denken? Was können wir tun? Wir können vor allem verstehen, wohin der Hase läuft. Und wie mit Bilanzen heute mehr gespielt wird als eigentlich gut ist – immer im Interesse der Aktionäre. Wenn wir hier ein waches Auge haben, ist das schon ein wichtiger Schritt. Wir können auch unsere Bänker fragen

- ob sie den Drei-Phasen-Deal der Deutschen Bank mit der Postbank verstehen
- was sie davon halten
- und ob sie denken, dass die Deutsche Bank für lange Zeit Freude an ihrem Schnäppchen haben wird

Gefallen uns die Antworten, bleiben wir bei unserer Bank. Wenn nicht, dann halt nicht...

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