claim von gute-banken

WELT-Online und der Mythos vom „Ende des Filialzeitalters“. Oder: Lieber nochmal nachlesen…

Mal wieder: Mit der vollmundigen Überschrift „Banken bereiten das Ende des Filial-Zeitalters vor“ beutet WELT-Online ein derzeit gerne genommenes Thema aus. Man liest den Artikel und fragt sich, wie die Autoren des Artikels auf diese Überschrift gekommen sind - und was man davon nun halten soll…

Aber schauen wir uns das einmal an: Zunächst wird am Beispiel der Sparkasse Tübingen, mit der die Redaktion eventuell gesprochen hat, das WELT-Online offenbar am wichtigsten erscheinende Problem erläutert:

In manchen Filialen dieses Hauses sei die „Langeweile“ kaum noch zu ertragen – es kämen in einer Stunde manchmal nur vier, oft auch nur drei Kunden für höchstens 10 Minuten herein – um Geld abzuheben oder einzuzahlen. Und das sei ja nicht nur „betriebswirtschaftlich fragwürdig“, sondern auch für die Mitarbeiter „demotivierend“.

„Make banking boring“

Langweilig also. Man liest das und kann sich die Frage kaum verkneifen, ob diese Langeweile nicht gerade das ist, was der Träger des Nobelpreises für Wirtschaft Krugman einmal gefordert hatte: Man müsse das Bankgeschäft wieder langweilig machen (Make banking boring.) Immerhin, so erklärte Krugman im Jahr 2009 nach der Subprime-Krise, habe das zwischen 1940 und 1980 vorherrschende unaufgeregte und langweilige Bankgeschäft sehr zu „sinkenden Schulden der Haushalte“ und zu einer richtig gesunden Wirtschaft geführt. Naja, das kann man sehen, wie man möchte…

Diskussion von Kosten, Erträgen und Investitionen

Dann geht es aber weiter im Text, und der Artikel mit der markigen Headline kommt dann fast auf den Punkt: Die Institute hätten im Grunde zwei Hauptprobleme:

-       zu hohe Kosten

-       bröckelnde Erträge im Privatkundengeschäft

Außerdem müsse sie ja hohe Investitionen in eine fortschrittlichere IT leisten, „die mit den veränderten Kundenbedürfnissen mithalten kann“. Deshalb, so scheint der Artikel sagen zu wollen, müssten eben Filialen geschlossen werden. Irgendwann stellt der Artikel dann die Frage, ob „Filialschließungen die richtige Medizin“ seien.

Die Commerzbank als Retterin der lokalen wirtschatflichen Vernunft…

Die Antwort bleibt er zunächst schuldig – und erwähnt dann aber zwei Absätze weiter die Commerzbank, deren Bereichsvorstand etwas erklärt, wie man die Sache auch sehen kann:

Wenn die Commerzbank die Hälfte ihrer Filialen schließen würde, könne sie gerade mal vier Prozent ihres Verwaltungsaufwands einsparen – nachdem aber in den Filialen immer noch „die meisten Geschäfte gemacht“ würden, würde man diese Einsparung mit einem deutlich höheren Rückgang bei den Erträgen bezahlen. An anderer Stelle wird übrigens auch ein Berater der Beratungsfirma Boston Consulting Group zitiert, die wohl bei einer Erhebung herausgefunden hat, dass derzeit zwei Drittel der Bank-Erträge in Filialen gemacht werden.

So, und was lehrt uns das alles jetzt eigentlich als Bank-KundInnen?

Wohl wie üblich wieder das eine: Man muss eben schon ein wenig tiefer graben:

1.  Haben die regionalen Häuser ein Umsatz-, Kosten- oder ein Ertragsproblem?

Denn bei genauerer Betrachtung haben die regionalen Häuser bisher ja (noch) kein Absatz- oder Einkommensproblem. Wirft man einen Blick in die Bilanzen einzelner Sparkassen und Genossenschaftsbanken oder liest sich die Jahresberichte des Deutschen Sparkassen- und Giro-Verbandes (DSGV) oder des Bundesverbands der Volks- und Raiffeisenbanken (BVR) vom Jahr 2014 durch, dann sieht man: Die Geschäft laufen eigentlich gut und es wurden insbesondere beim Umsatz noch Zuwächse geschrieben.

Das Problem, das die regionalen Häuser tatsächlich haben, ist ein außerhalb ihrer EInflussmöglichkeiten liegendes Ertragsproblem. Dass die Erträge aller Banken im Privat- und Firmenkundengeschäft sinken, liegt nicht daran, dass es falsch oder zu teuer wäre, Filialen in der Fläche zu betreiben – sondern an zwei Faktoren, für die regionale Häuser selbst nun wirklich nichts können und die sie auch nicht selbst verursacht haben:

-       Die durch die internationale Großbank- und Finanzwelt verursachte Niedrigzinsphase, die jedem zinsorientiert arbeitenden Haus – und das sind sie nun mal alle – das Leben schwer macht. Die Zinssätze beispielsweise im Baufinanzierungsbereich liegen mittlerweile zwischen 1,5 und 3 Prozent – das Maß an Arbeit, die dafür geleistet werden muss, ist deshalb aber nicht weniger geworden. Wie soll man bei derart niedrigen Zinsen mit einen kleinen prozentualen Anteil noch Erträge machen?

-       Die ebenfalls durch die internationale Großbank- und Finanzwelt verursachte Regulierungswelle, die auch die kleinsten Häuser trifft und derartig viel Energie bindet, dass sie gerade kleinen Häusern irgendwann die Luft zu atmen nehmen wird.

Wie gesagt: Für beide Faktoren können die regional arbeitenden Häuser nichts. Dennoch sind es diese beiden Faktoren, die auf Sicht und an manchen Orten zu einer Ausdünnung des Filialnetzes führen wird.

Lerneffekt 1 ist also bei diesem lokalen Artikel:

Für die Segnungen des Finanzmarktes und seiner Krisen müssen am Ende diejenigen Kunden bezahlen, die vielleicht irgendwann auf die Filiale in ihrem Dorf verzichten müssen. Hat Josef Ackermann am Ende also recht behalten mit seiner Aussage, dass der Steuerzahler am Ende ohnehin der Lender of last resort sein wird? Hm…

2. Welche Filialen werden bei der Sparkasse Tübingen wirklich geschlossen?

Wenn ein Medium wie WELT-Online vollmündig die Zahlen einer Sparkasse – in diesem Fall auch wieder der Sparkasse Tübingen – als Beispiel für radikale Einschnitte (hier die Schließung von „14 aus 53 Filialen“) anführt, lohnt es sich immer, noch einmal bei einem lokalen Medium nachzulesen.

 

Ein sehr schönes Beispiel dafür ist das Schwäbische Tagblatt („Die Sparkasse schließt Filialen: 22 Standorte im Kreis betroffen – Langfristiger Personalabbau“,  2.7.15), das den in der überregionalen WELT erwähnten Entschluss der Sparkasse Tübingen auch ebenfalls redaktionell begleitete. Dort lesen sich die genannten Hauptthemen Filialschließung und Kostenproblematik aber reichlich anders.

 

Die durchaus präzisere Darstellung der tatsächlichen Situation bei der Schließung von Filialen liest man wirklich besser in einem lokalen Medium – in diesem Fall eben dem schwäbischen Tagblatt nach. Dort heißt es nämlich: Unter den 14 Filialen, die bei der Sparkasse in den nächsten 18 Monaten geschlossen werden sollen, seien mal schon acht sogenannte „Abendstundenfilialen, die zwei bis drei Stunden am Tag für Service ohne Beratung offen haben“. Die Dinge relativieren sich bei genauerer Betrachtung also meist zügig…

 

Auch bemerkenswert: In dem schwäbischen Artikel verweist der Vorstand der Sparkasse Tübingen eindeutig auf die Niedrigzinspolitik der EZB. Er tut das sogar ziemlich markig:

 

Für die von ihr erbrachte Dienstleistung erbringen zu können, brauche die Sparkasse eben eine Zinsmarge von etwa 0,5 Prozent. Liege der Zins unterhalb dieses Satzes würde sie ins Minus rutschen. Zins sei für seine Bank ein Rohstoff, der von „EZB-Präsident Mario Draghi“ verbrannt werde. Das sei, „als würde eine Ölplattform abgefackelt.“

 

Fazit

 

Was bleibt also am Ende zu sagen? Vielleicht das eine:

 

Natürlich wird es in den nächsten Jahren zu einer weiteren Verlagerung des Bankgeschäfts in den digitalen Raum kommen. Aber eines sollte klar sein: Niemand zweifelt an, dass es auch in den nächsten fünf bis zehn Jahren noch ein engmaschiges Filialnetz in Deutschland geben wird.

 

Aber gleichzeitig stellt niemand die Frage, wer wohl dieses Filialnetz auch dort betreiben wird, wo nicht jede einzelne Filiale Spitzenerträge erwirtschaftet.

 

Die Antwort dürfte klar sein:

 

Die tatsächliche Last der flächendeckenden Versorgung der Menschen mit Filialen wird wie auch jetzt schon bei denen liegen, für die es auch eine Lust sein muss: bei den Sparkassen und Genossenschaftsbanken.

 

Begründung: Sie sind die einzigen Häuser, deren oberstes Ziel per Satzung und Eigeninteresse nicht die Profitmaximierung ist – sondern eben die Sorge für Ihre Regionen, ihre Kunden und das Gemeinwohl…

 

Darüber sollte man einmal nachdenken. Und das auch dann im Kopf behalten, wenn wenn über solche derzeit sehr häufig auftauchenden Artikel über Filialschließungen stolpert…

 

 

 

 

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