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Zu wenig ist zu viel: Ein Kapitalmarkt-Professor über die Banken-Regulierung…

Es bleibt interessant: In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung kommt der Professor für Finanzmanagement und Kapitalmärkte an der Technischen Universität München , Christoph Kaserer, zu einem klugen Schluss: Viele kleine Banken sind besser als wenige große. Allerdings beisst sich die Katze dann doch wieder in den Schwanz…

Die Regulierung, so erklärt der Professor in dem Interview ("Finanzbranche: Die Politik hat vor der Komplexität kapituliert", 31.7.15“) führe durch die Überregulierung am Ende nämlich dazu, dass Banken noch größer werden. Unterm Strich mache sie das Bankgeschäft zusammen mit der Digitalisierung teurer. Beides führe dazu, dass sich „kleine Banken kaum mehr halten können“. Das sei aber insofern fatal, als ja gelte: „Je größer eine Bank, umso dringender muss sie im Ernstfall gerettet werden.“

Kein Wort über Genossenschaftsbanken und Sparkassen

Alles richtig. Aber dennoch ist es fast schade, dass der Professor die kleinen Banken, die sich über die Jahre der Krisen hinweg für die mittelständische deutsche Wirtschaft engagierten und nun scheinbar per Niedrigzins und regulatorischen Aufwänden ausgeblutet werden sollen, mit kleiner Silbe erwähnt: Die Genossenschaftsbanken und Sparkassen, deren Geschäfts es schlicht ist, Spargeld in der Region aufzusammeln und es in Form von sinnvollen Krediten wieder in der Region zu verteilen.

Stattdessen bemängelt er, dass es heute extrem hohe Barrieren gäbe, in Deutschland „eine Bank zu gründen“. Es ist ja schon richtig, was dieser Professor aus München sagt : „Der beste Schutz vor zu großen Banken ist Wettbewerb.“ Aber haben wir davon nicht schon genug? Das ist der eine Teil.

Ist die Regulierung wirklich mehr als eine Dokumentationspflicht?

Der andere Teil, der uns hier ein wenig beschäftigt, ist die Frage: Ist die Regulierung wirklich dafür gemacht worden, "die Märkte" ernsthaft in die Schranken zu rufen? Denn immerhin wird man gerade bei genauerer Betrachtung das Gefühl nicht los, als bestünde die Regulierung im Wesentlichen aus zusätzliche Dokumentationspflichten, die von großen Banken leichter zu stemmen als von kleinen.

Darüber muss sich nicht wundern. Denn erinnern wir uns: Eine der ersten Reaktionen der G20 auf die Krise war 2010, ausgerechnet Josef Ackermann zum Chairman des G20-Ausschusses namens „ Coordination of Exit Strategies for Government Stimulus“ zu machen. Und der wird die G20 nicht wirklich zu mehr gesellschaftlicher Vernunft geraten haben. Denn er selbst und auch seine Nachfolger setzten ja immer auf dasselbe Argument:

Selbst wenn man es nicht will, muss man jedes Geschäft machen – weil sonst die Investoren, Shareholder, etc davonlaufen.

Diese Sichtweise scheint fatalerweise auch die europäische Kommission zu pflegen – quasi im Sinne von „Macht ihr ruhig mal weiter weiter, wie ihr es für richtig haltet – wenn alles dokumentiert ist, können wir euch ja später verklagen.“ Der Einfluss der Denkweise von Ackermann und anderen spielt da sicher auch eine Rolle.

Beispiel EMIR

Das zeigte sich auch 2012 bei der sogenannten EMIR – European Market Infrastructure Regulation – bei der es im Wesentlichen um die Regulierung des überbordenden und unkontrollierten Derivate-Marktes ging – und über die wir auch immer mal wieder geschrieben und uns gewundert und auch geärgert hatten: Die amtlichen Texte, die wir damals lasen, enthielt kein einziges klares Verbot von irgendetwas. Macht ihr mal, wir gucken euch aber auf die Finger.

Diese den sogenannten Sachzwängen unterworfene Sichtweise setzte sich auch 2015 fort: Am 5. Juni nahm die Europäische Kommission einen delegierten Rechtsakt gemäß Artikel 85 Absatz 2 der EMIR-Verordnung an, der die vorübergehende Befreiung von den zentralen Clearing-Anforderungen für Altersversorgungssysteme bis zum 16. August 2017 verlängert.

In der Regulation (EU) No 648/2012 of the European Parliament and of the Council as regards the extension of the transitional periods related to pension scheme arrangements bestätigte die Kommission, dass Pensionsfonds von der Regel, dass alle Derivat-Geschäfte über zentrale Clearing-Center laufen müssen, für weitere zwei Jahre befreit sei.

Die Begründung, die sie gibt, entspricht eben des genannten Sichtweise: Man muss es tun, weil es nicht anders geht:

Müssten Pensionsfonds dieser Regulierung entsprechen, würden sie einen Großteil ihres Geldes aus diesem Markt abziehen. Die Anforderung an die Hinterlegung mit Sicherheit wären sonst für sie zu hoch. DEshalb nehmen wir sie mal noch eine Weile von der Regelung aus – sie müssen ja schließlich die Renten bezahlen können. ( Im nur englisch verfügbaren Originaltext: „Hence, requiring such entities to clear OTC derivative contracts centrally would lead to divesting a significant proportion of their assets for cash in order for them to meet the ongoing margin requirements of CCPs.“.)

Fazit:

Was bleibt noch zu sagen? Naja, der Professor hat an bestimmten Stellen schon recht. Aber am Ende beisst sich die Katze eben in den Schwanz. Die Regulierung des Finanzmarktes, die ihm schon zu heftig ist, weil sie „den Wettbewerb“ beeinflusst, ist nicht dafür gemacht, ein Problem zu lösen. Sie spielt im Gegenteil den Großbanken in die Hände.

Das hat seinen Grund: Die Regulierung wurde aus Sicht der Großbanken und gleichzeitig für sie und gegen sie gemacht. Und das konnte so geschehen, weil das ganze Geschäft so komplex geworden war – und nach wie vor ist – dass man es nur mit dem Wissen von Bänkern entschlüsseln konnte.

Deshalb können dabei nur Dinge herauskommen, die für Großbanken realisierbar erscheinen. Das Meiste wird heute ja ohnehin über Strafzahlungen geregelt. Siehe die Deutsche Bank, deren Halbjahresergebnis sich kürzlich auch wieder von Rückstellungen für Rechtsstreitigkeiten in Höhe von 1,2 Mrd Euro belastet zeigte…

Würden sich die Banken alle nur darauf konzentrieren, ihre Energie in die nachhaltige Zukunft von Menschen, Regionen und Unternehmen zu stecken, bräuchte man das alles nicht. Und dafür müsste man in Deutschland noch nicht einmal neue Banken gründen. Es gibt ja schon ausreichend viele kleine gute Banken…

 

 

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