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Wer braucht eigentlich „große Banken?“ Oder: John Cryan, die Fusionen und die Konsolidierung …

Beim jährlichen Treffen der Großkopferten der Finanzbranche, dem KongressBanken in Umbruch“, hielt Deutsche Bank-Chef John Cryan wohl mal wieder eine Rede. Vieles davon hatte er schon im vergangenen Jahr gesagt. Nach wie vor drollig finden wir dabei seine in Stein gemeißelte Forderung, dass dieKonsolidierungvon Banken gerade in Deutschland aber so richtig total wichtig sei. Da fragt man sich: Ist das wirklich so?…

Deutschland, so die These von John Cryan, müsse selbst entscheiden, ob es starke Banken haben wolle. Und ganz offenbar tun das die Deutschen ja. Sie wollen nicht. J Aber warum eigentlich?

Nun wollen wir ja gar nicht damit anfangen, dass wir in Deutschland schon eine so richtig starke Bank hatten – die am Ende zur gefährlichsten Bank der Welt erklärt wurde. Tatsächlich fand diese Bank ja geradezu lehrbuchmäßig die Mittel und Wege, zu einem weltweit führenden Player zu werden – und kurzfritstig auch einen Haufen Geld zu verdienen. Aber offenbar kam sie am Ende damit nicht sonderlich gut zurecht. Nein, das müssen wir wirklich nicht noch einmal vertiefen.

Haben wir wirklich zu viele Banken?

Es genügt zu sagen: Cryan beklagt nun also zum wiederholten Male, dass wir in Deutschland zu viele Banken hätten. Seit 2007, so rechnet er vor, gäbe es nur 16 Prozent weniger Banken – in Spanien dagegen seien es 45 Prozent. Und in Spanien habe man dabei auch Tabus gebrochen und „teilweise sogar Sparkassen und Genossenschaftsbanken zusammengeführt“. Dass wir das in Deutschland nicht auch schon gemacht haben, findet er offenbar fatal. Hauptsache groß... Man könnte nun natürlich fragen, was das den anderen Ländern nun genau gebracht hat – immerhin läuft es bei uns ja trotz oder vielleicht gerade wegen der vielen regionalen und lokalen Banken so gut?

Darüber sollte man mal nachdenken: Sind kleine Banken das Problem oder die Lösung?

Für Cryan und manch anderen sind sie offenbar das Problem, das er gerne gelöst sehen würde. Und deshalb, so schließt er knallhart: Auf Dauer könnten „nur Banken mit einer gewissen Größe bestehen, zumindest im Geschäft mit Privat- und kleinen Geschäftskunden.“

Da fragt man sich schon: Meint er damit die Kunden, die seine eigene Bank in den letzten 20 immer mal wieder loswerden und dann wiederhaben wollte – je nachdem, ob man sich gerade etwas davon versprach oder nicht? Das sind ja zum Beispiel auch die Kunden, die weiland Josef Ackermann mit der Postbank kaufte und von der sich die Deutsche Bank vor gerade einmal zwei Jahren wieder trennen wollte. Wir schrieben verschiedentlich darüber...

Die größte Fusion seit 2014…

Offenbar meint er tatsächlich auch diese Kunden. Denn allemal nimmt er seine Bank mal gleich explizit von dieser Schwäche aus: Denn schließlich werde sie nun bald Postbank und das Privat- und Firmenkundengeschäft der Deutschen Bank zusammenführen. Und das, so kann er sich nicht verkneifen, werde dann „die größte Fusion zweier Banken in Europa seit dem Start der gemeinsamen Bankenaufsicht 2014.“ Ja, danke – darauf hat die Welt gewartet.

Was bringen Konsolidierungen (Fusionen) für den Betriebswirt…

Natürlich muss man auch hier genauer hinsehen. Denn die quasi alternativlose Fusion seiner Geschäfte begründet Cryan fein säuberlich wie gewohnt mit den üblichen Argumenten: Heutzutage seinen Banken ja von Technologie getrieben und in vielen Bereichen „ein reines Skalengeschäft“. Wenn man das liest, versteht man das natürlich – aber dennoch könnte einem der Kamm anschwellen..

… und was bringen sie für die Kunden?

Wir resümieren das an dieser Stelle einmal: Cryan hat recht, wenn er sagt, dass wir in Deutschland nach wie vor 1700 Banken haben. Wir würden ja sagen: Und das ist auch gut so. Denn allerdings sind circa 400 von ihnen im Sparkassenverbund und ca. 1000 von ihnen im Genossenschaftlichen Verbund „verbunden“ (deshalb nennt man es ja Verbund). Ansonsten machen sie mehrheitlich das, was ihre Aufgabe ist: Sie sind für ihre Kunden da.

Und die Kunden lieben sie dafür. Denn der Kontakt zum Kunden würde sich mit deutlich größeren Einheiten wohl kaum verbessern. Man kennt das ja: Wenn man das Gefühl hat, nicht mehr ein Mensch, sondern nur noch eine Nummer zu sein, dann hat man daran keinen Spaß – Skaleneffekt hin oder her.

Ist solides Banking wirklich nur ein reines "Skalengeschäft" und eine Frage der Größe?

Nein, die Denkweise, dass man eine Bank nur recht groß machen muss, damit sie gut und erfolgreich ist, hat sich doch nun wirklich überholt und ist eigentlich von gestern – nur haben das noch nicht alle gemerkt. Die von Cryan verurteilten kleinen Banken, von denen es seiner Meinung nach viel zu viele gibt, sind durch ihre Verbundstrukturen im Grunde schlauer. Denn sie bilden quasi eine virtuelle große Einheit aus kleinen Einheiten.

Also: Auch die regionalen Sparkassen und Genossenschaftsbanken nutzen „Skaleneffekte“ – das heißt übrigens einfach soviel wie „sie nutzen bestimmte Funktionen, die immer gleich sind, im Verbund gemeinsam, kaufen bestimmte Dinge gemeinsam ein und sparen dabei das Geld, das sie brauchen würden, wenn jeder z.B. das selbe Stück Software  selbst entwickeln müsste. Mehr nicht.

In den Verbünden teilen sie sich bestimmte zentralisierbare Aufgaben – aber ihre lokale Marke, Ihre Entscheidungsfreiheit und vor allem den Kontakt mit ihren Kunden halten sie in ihren kleinen lokalen und regionalen Einheiten. Sie geben sogar in ihren Verbünden konsolidierte Jahresabschlüsse ab, die gerade in den letzten Jahren schon fast erschreckend gut aussahen...

Kritik an Verbundlösungen als Alternative zur Fusion?

Das Seltsame daran ist: Genau diese Intelligenz der Verbundlösungen scheint nicht nur John Cryan zu missfallen – sondern stand auch schon auf dem Prüfstand der EU-Kommission. Das war im Jahr 2007 – also vor der Krise. Die Begründung damals: Man vermutete damals, dass das Teilen von Aufgaben im Verbund in Wahrheit eine Wettbewerbsverzerrung sein könnte. Also quasi ein Vorteil, den sich einzelne verschaffen, den andere sich nicht verschaffen könnten. Naja. Es gibt ja auch den Bundesverband der Privatbanken. Aber der stand damals nicht so sehr im Rampenlicht. Übrigens: Wer sich für dieses Thema interessiert, kann mit Genuss einen aus dem Jahr 2007 datierenden Artikel „EU wittert Wettbewerbsverstöße: Sparkassen und Genossenschaftsbanken wehren sich“ im Handelsblatt (31.1.2007) lesen.

Auch interessant ist die auf der Handelsblatt-Tagung des letzten Jahres, fortgesetzte Diskussion um die „Konsolidierung der Bankenlandschaft“, der vom Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes Fahrenschon lapidar entgegnet wurde: „In der Finanzkrise habe sich gezeigt, dass zu große Kreditinstitute, die sich von ihren Kunden entfernten, „Gift für die Stabilität von Finanzmärkten“ seien. „Größer ist automatisch gefährlicher - insofern gilt: small ist beautiful.“

Außerdem haben die Sparkassen sich gerade kürzlich erst wieder zu diesem Thema geäußert – und zwar sinnigerweise in Ihrem Papier „Anregungen der Sparkassen-Finanzgruppe zur Bundestagswahl 2017“ vom 22.8.17. Dort findet man auf Seite 8 den Absatz zum Thema „Aktive Förderung der kreditwirtschaftlichen

Verbundstrukturen“, den wir der Einfachheit halber komplett wiedergeben. Dort lassen sie es sich sogar nicht nehmen, den Begriff der „economies of scale“ – also der von Cryan als zentral betrachteten Skaleneffekte – zu bemühen:

Die Verbundzusammenarbeit innerhalb der Sparkassen-Finanzgruppe und des genossenschaftlichen Finanzverbundes ist ein wesentlicher Faktor, um trotz der

Herausforderungen des demografischen Wandels und der Digitalisierung ein wettbewerbsfähiges Angebot an Bankdienstleistungen überall, d. h. auch und gerade in ländlichen und strukturschwachen Gebieten, anbieten zu können. Die  Verbundzusammenarbeit stellt sicher, dass den lokal verankerten und demgemäß in kleineren Strukturen agierenden Sparkassen und Genossenschaftsbanken die Vorteile der „economies of scale“ nicht verschlossen bleiben. Wir erwarten, dass kreditwirtschaftliche Verbundstrukturen auch im europäischen Recht verankert werden.

In diesem Zusammenhang ebenfalls bemerkenswert ist ein Ergebnis der aus 2016 datierenden Studie „Wie profitabel ist das Privatkundengeschäft in Deutschland?“ der Unternehmensberatung PWC. Auf Seite 20 findet man dort die Auswertung der sogenannten Cost Income Ratio der Bankengruppen im Vergleich. (Sie rechnet also aus, wie viel Cent ein Unternehmen ausgeben muss, um einen Euro zu verdienen.) Wer schneidet dort am besten ab – arbeitet also im Privatkundengeschäft am wirtschaftlichsten?  Genau: Die Sparkassen und vor allem die Genossenschaftsbanken.

Wie soll Einstein so schön gesagt haben: „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“

Wir können also nur hoffen, dass die kleinen Banken dies alles überleben, bis der Spuk vorbei ist..

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