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Regionale Banken, der Mittelstand, die Börse, die EU - und mal wieder: die Verbriefung…

Am 8.6.17 veröffentlichte die Europäische Kommission eine Pressemitteilung zur Vollendung der Kapitalmarktunion:Erste Erfolge als Grundlage für weitere Fortschritte nutzen“. Ist das interessant – und wenn ja dann warum? Wir denken, dass das Papier der EU durchaus interessant ist, weil es unter anderem den Plan verfolgt, mittelständische Unternehmen verstärkt an die Börse zu bringen – sinngemäß mit der Begründung, dass sie von den Banken nicht so richtig mit Krediten fürs Wachstum versorgt würden.  Am 9.6.17 äußerte sich dann der Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken zu den Plänen der EU, die er nicht zu Unrecht „höchst bedenklich“ findet ...

 

Also: Worum geht es hier? Im Wesentlichen geht es um ein Thema, über das wir schon verschiedentlich geschrieben hatten: Die EU will also – basierend auf dem „Grünbuch der EU zur „Schaffung einer Kapitalmarktunion“ – gerne mittelständische Unternehmen (so genannte KMU (Kleine und Mittlere Unternehmen)) an die Börse bringen, damit sie quasi mehr Geld zur Verfügung haben, um die Wirtschaft anzukurbeln.

Das ist zunächst mal ein schönes Kompliment an den Mittelstand – denn offenbar sieht auch die EU, dass es eben die unabhängigen und nicht an der Börse notierten Unternehmen und Unternehmer sind, von denen die reale Wirtschaft in Gang gehalten bzw, nach vorne gebracht werden kann. Die sollen nun also durch den Anschluss an die Börsen – nennen wir es mal so – „mit Geld aus den Märkten unterstützt werden“. In diesem Zusammenhang steht ohne Zweifel auch die Wiederbelegung des Neuen Marktes an der Deutschen Börse, über den wir auch schon mal geschrieben hatten – übrigens mit demselben Ergebnis oder Schluss, zu dem nun auch der BVR in seiner Bewertung kam. (Mit der zusätzlichen Feinheit, dass die Deutsche Börse im vergangenen Jahr „die mittel und langfristige Sicherung des volkswirtschaftlichen und gesell­schaftlichen Wertbeitrags“ aus den Zielkriterien für ihre Vergütungsregeln herausgenommen hatte. Aber das ist ein anderes Thema ... oder doch nicht?)

Die alles entscheidende Frage wie immer: Wem dient das eigentlich?

Wichtig ist hier zu wissen, dass es sich bei der Pressemeldung der europäischen Kommission um ein Papier handelt, das sich mit der Situation in ganz Europa und nicht nur in Deutschland beschäftigt. Es dürfte bekannt sein: Derzeit brummt es nicht überall so wie hier bei uns. Umgekehrt sollten wir dabei aber auch nicht vergessen, dass wir vor gerade mal 15 Jahren für Deutschland auch noch die Rote-Laterne-Debatte („Wirtschaftswachstum Deutschland behält die rote Laterne“, FAZ 15.2.02) hatten…

Nicht allen geht es so gut wie uns heute. Von daher sollte man sich der im Grünbuch der EU beschriebenen Ziel nicht versperren:

„Um auf Dauer zu mehr Wachstum und Beschäftigung zurückzukehren, ist es neben weiteren Reformen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erforderlich, dass die Kapitalmärkte verstärkt dazu beitragen, Finanzierungsmittel in die Wirtschaft zu lenken.“

Wir hatte das schon einmal großzügig auf deutsch übersetzt: „Das in Hülle und Fülle in „den Märkten“ vorhandene Kapital sollte gesellschaftlichen Zwecken dienen können.“

Ob das mit diesen Märkten und den dort nach wie vor vorherrschenden Denkweisen funktionieren könnte? Das steht nicht dabei. Allerdings hatten wir über diese Problematik auch schon verschiedentlich geschrieben

Zurück zum Thema: Die EU will also kleine und mittlere Unternehmen an die Börse bringen. Die Frage ist: Wer würde davon profitieren? Wären es wirklich die Unternehmen oder könnten da die leidgeplagten „Märkte“, die aufgrund ihrer eigenen „irrationalen Übertreibungen“ (um es mal mit den Worten des Wirtschaftsnobelpreisträger Shiller zu sagen) selbstproduzierten Anomalien und Krisen nicht mehr wissen, wohin mit dem Geld? Man weiß es nicht... und es bleibt abzuwarten, ob sich diese Initiative der Europäischen Kommission in anderen europäischen Ländern als fruchtbar erweisen wird.

Und dann kommt der Verbriefungs-Hammer…

Was uns in dem Zwischenbericht der Europäischen Kommission allerdings dennoch ein wenig Kopfschmerzen bereitet, ist – mal wieder – ein Passus, der uns irgendwo zwischen ratlos und hysterisch lachend erscheinen lässt. Denn dort ist zu lesen:

„Erst kürzlich einigten sich die Mitgesetzgeber im Grundsatz auf zwei weitreichende Vorschläge: Das Verbriefungspaket wird Kapazitäten in den Bankbilanzen freimachen und zusätzliche Finanzierungsmittel für private Haushalte und schnell wachsende Unternehmen mobilisieren.“

Wie sagt man so schön: Da brat mir einer einen Storch! Das ist nun natürlich eine Wendung, die insbesondere für den deutschen Markt reichlich absurd erscheint. Das muss man nun kurz erklären:

 Wir erinnern uns ja noch, wie das Konzept, Kredite (meist notleidende) in Pakete zu schnüren, zu einer der größten Krisen überhaupt führte. Aber nun sind wir mal nachsichtig und nehmen an, dass das Konzept der Verbriefung dieses Mal mit deutlich mehr Verantwortungsbewusstsein behandelt – und nicht nur als Gelddruckmaschine betrachtet würde, die Kredite nur noch zu einem Zweck produziert: Um sie zu verbriefen…

Wer vergibt in Deutschland eigentlich die meisten Unternehmenskredite?

Was allerdings dennoch seltsam ist und bleibt: Wie man ja weiß, ist die deutsche Wirtschaft nicht nur deshalb so stark, weil sie so explizit mittelständisch organisiert ist, sondern auch weil die regional verankerten mittelständischen Unternehmen sich im Rahmen des dreigliedrigen Bankensystems Deutschland aus über 1400 Sparkassen, Genossenschaftsbanken, regionalen Banken und Großbanken diejenige auswählen, die ihnen am nächsten kommt.

Und genau das tun sie ja auch: Wie man bei statista.de (Mittelfristige Unternehmenskredite - Marktanteile der Banken in Deutschland 2016) sehen kann, wurden im vergangenen Jahr 35% der mittelfristigen Kredite von Sparkassen, 27% von Regionalbanken, 10% von Genossenschaftsbanken und gerade mal 8% von Großbanken ausgereicht.

Genau genommen ist das auch gut so: Denn wie man ja weiß, ist ja eine der überaus wichtigen und fruchtbaren gesellschaftlichen Funktionen und Aufgaben insbesondere der Sparkassen und Genossenschaftsbanken, das von den Sparern in der Region bei ihnen angelegte Geld wieder in Form von Krediten an Private und Unternehmen in der Region zu verteilen und damit den Wohlstand zu sichern und zu vergrößern, von dem wir alle profitieren.

Und nun sollten „die Banken“ – im Wesentlichen können das statistisch gesehen ja nur Sparkassen und Genossenschaftsbanken sein – die Kredite ihrer Kunden also verbriefen (sprich: an „die Märkte“ verkaufen), um ihre Bilanzen freizumachen? Da wäre nun aber in zweierlei Hinsicht fatal:

1.     In Hunderten von Gesprächen mit Banken haben wir bisher noch keine gefunden, die es nur annähernd geschafft hätte, das Spargeld ihrer Kunden komplett in Form von Krediten zu verteilen. Um es mal viel zu einfach zu sagen: Es ist einfach mehr Geld da, als Kredite gebraucht werden. Von daher dürfte das Angebot einer Verbriefung / eines Verkaufs von Krediten „Kapazitäten in den Bankbilanzen“ freizumachen und „zusätzliche Finanzierungsmittel für private Haushalte und schnell wachsende Unternehmen“ zu mobilisieren aufgrund unseres hochstabilen dreigliedrigen und regional orientierten Bankensystems ins Leere laufen.

2.     Nehmen wir mal an, dass die regionalen Banken tatsächlich im gro0ßen Stil von der Möglichkeit einer Verbriefung von Krediten Gebrauch machen würden. Was würde ihnen und ihren Kunden dann konkret bringen? Ach so ja: Mehr freie Liquidität. Super! Blöde nur, dass wir heute alle und fast jeden Tag in der Zeitung lesen, dass freie Liquidität heute nichts Schönes mehr ist – sondern etwas, bei dem man befürchten muss, 0,4% Parkzinsen zu bezahlen anstatt etwas zu bekommen. Versucht man hier das Problem der überschüssigen Liquidität dadurch zu lösen, dass man noch mehr davon schafft? Hm…

Fazit:

Das was jetzt mal wieder ein längerer Diskurs zu einem Thema, das an Komplexität kaum zu übertreffen ist. Nicht nur ist es schwer zu sagen, was nun für wen und wo richtig ist oder wäre. Es ist zum Teil leider auch schwierig abzugrenzen, wessen Interessen da im Wesentlichen verfolgt werden.

Richtig ist an der Initiative der EU allemal, dass sie Schritte ergreift, um das im Überfluss vorhandene Geld wieder für gesellschaftlich dienliche Zwecke zugänglich zu machen. Richtig ist aber sicherlich auch, dass dazu mehr als zwei gehören.

Sei es wie sei. In der aktuellen Situation kann man sagen: Natürlich ist der Niedrigzins, unter dem laut der fast täglichen Zeitungsberichten alle leiden, ein Ergebnis der irrationalen Übertreibungen der Märkte war.  Der einzig kurzfristig positive Effekt ist, dass die Kredite günstig sind wie nie und man sich deshalb leichter eine Immobilie finanzieren kann – allerdings zu deutlich höheren Preisen.

Der häufig als negativ empfundene Effekt ist andererseits dann wieder, dass auch die regionalen Banken und Sparkassen durch den Niedrigzins das Geld, das sie brauchen, nicht mehr über das zinsorientierte Kreditgeschäft verdienen können. Und dass deshalb wir BankkundInnen deshalb ein paar Euro mehr für diesen und jenen Service der Bank – Kontoführung, etc, – bezahlen müssen.

Wir denken: Solange die Alternative zu mehr Kontoführungsgebühren ist, dass wir ohne diese Umlegung der Kosten auf uns am Ende keine regionalen Häuser mehr hätten und uns komplett „den Märkten“ anvertrauen müssten, ist das ein ziemlich geringer Preis (selbst wenn er ärgerlich ist und manchen sogar wehtun kann.)

Das kann man doch auch mal so sehen. Oder?

 

 

 

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