claim von gute-banken

Handelsblatt: Bankberater werden sich nicht ändern. Oder: Dialektik der Aufklärung am Bankschalter

 Wir hatten vor einiger Zeit schon über die Alphabetisierung der Bankkunden gesprochen. Das sind tatsächlich und ernst gemeint Denk-Initiativen, die davon ausgehen, dass die Bankkunden zu dumm waren, um die Tricks der Nepper, Schlepper und Bauernfänger zu durchschauen. Das Thema ist noch lange nicht zu Ende diskutiert..

 

Am 15.7.2010 stellten der Bundesverband der Verbraucherzentralen in Zusammenarbeit mit der Universität Mannheim ein „Programm zur Abschätzung von Anlagerisiken“ vor. Neben der Forderung nach klar und gesetzlich geregelter Dokumentation von Beratungsgesprächen, Kundenwünschen, angebotenen Produkten, etc. Überdies hat die Uni Mannheim ein interaktives Progamm entwickelt, „mit dem Verbraucher Chancen und Risiken von Anlageoptionen besser einschätzen können“. Eine löbliche Initiative im Grunde, die im Wesentlichen auch dazu dienen soll, die für den 21. Juli 2010 vorgesehenen Verabschiedung des „Gesetzes zur Stärkung des Anlegerschutzes“ durch das Kabinett ein wenig zu begleiten.

Am 16.7.2010 startet das Handelsblatt dann postwendend unter der Headline „Die Bankberater werden sich nicht ändern“ einen reichlich polemischen Angriff auf den Bundesverband der Verbraucherzentralen....

Wie immer lohnt es sich, ein wenig tiefer zu graben....


Wieder die Frage: Welche Banken meint Ihr eigentlich?

 

Was einem bei beiden Publikationen am meisten aufstößt: Wieder werden „die Banken“ pauschal in den Senkel gestellt. Welche Banken sind gemeint? Gibt es Erhebungen darüber welche Art von Banken im dreigliedrigen Bankensystem am meisten Schaden am Kunden verursacht haben? Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass allein schon die Satzungen bzw. die gesellschaftliche Organisation von Sparkassen, Volksbanken und Sparda-Banken einiges relativiert.

 

Hinzu kommt die Frage: Wieviele Fremdprodukte verkaufen die Berater - also Finanzprodukte, die nicht vom eigenen Haus konzipiert, produziert, verstanden und vertrieben werden? Das wäre schon mal ein wichtiger Schritt, hier Transparenz zu haben. Denn der Verdacht liegt nahe - man weiss es ja - dass die Berater ihre Produkte selbst nicht merh verstehen. Oder verstanden haben.

 

Nicht, dass es da keine Entgleisungen gegeben hätte. Aber am Ende geht es doch wirklich nur um die Frage: Wer dient wem?

 

Dass Großbanken wie die Deutsche Bank sich nur dann für die Retailkunden interessieren, wenn sie sich davon grad ein fettes Geschäft versprechen, hat man ja zum Beispiel bei der Deutschen Bank mehrfach erleben dürfen.

 

Erstes Argument gegen die Geldgeilheit: Geld!

Welches ist für die Verbraucherschütze das Argument für die Dringlichkeit und gesellschaftliche Notwendigkeit dieser Initiative? Es ist eben so, wie wir es die ganze Zeit diskutieren: Zu keinem Zeitpunkt wird das Finanzmarktdenken wirklich verlassen. So bringen die Verbraucherschützer in ihrer Pressmeldung das offenbar noch am überzeugendsten scheinende Argument:

Die Verluste für die Verbraucher aufgrund nicht bedarfsgerechter Finanzvermittlung belaufen sich nach einer Studie des Bundesverbraucherministeriums auf 20 bis 30 Milliarden Euro pro Jahr. Es liegt im Interesse der Verbraucher, ein Gegengewicht zur provisionsgesteuerten Finanzvermittlung zu schaffen.

So läuft das heute: Weil es immer um Geld und Provisionen geht, muss man erstmal sagen, wie groß der Schaden in Euro ist. Man bekämpft Geldargumente mit Geldargumenten. Und zwar wird auch wieder wie üblich hochgerechnet. Denn auf Zahlen unterhalb einer Milliarde reagiert ja keiner mehr.

Die vernünftige Forderung nach einer honorarbasierten Beratung wird zwar auch vorgebracht. Aber hier liegt wohlwissend nicht der Schwerpunkt. Zu stark ist hier noch die Lobby der Großbanken und –versicherer.

 

Auch Gerd Billen hat seine Haltung übrigens in den letzten beiden Jahren geändert. Am 17.10.2008 gab er einem unter der Überschrift „Geld gehört nicht unter das Kopfkissen“ stehenden Interview mit eben demselben Handelsblatt, das in jetzt durch den Kakao zieht, zu Protokoll:

 

Aber ich habe die Erwartung an alle Banken und Sparkassen, dass sie für eine Marktbereinigung sorgen. Sie müssen dafür sorgen, dass unsichere Produkte gar nicht angeboten werden können. Banken haben eine soziale Verantwortung. Die Verbraucher selbst sollten darauf achten, nicht auf jede Verlockung hereinzufallen.

Auf gewisse Weise könnte man sagen, dass Billen den Punkt vor zwei Jahren noch besser getroffen hat. Und nun nicht mehr an seine Meinung von damals glauben mag. Dass er selbst sehr stark in Geld und wenig in gesellschaftlicher Notwendigkeit denkt, gibt er im selben Interview preis:

 

Bei Krediten wird Verbrauchern gerne eine Restschuldversicherung aufgeschwatzt. Unnötige Zusatzkosten erhöhen aber das Risiko, dass Kunden ihre Kredite später nicht mehr bedienen können. Kommt das massenhaft vor, trägt die Folgen der ganze Markt.

 

Eine Restschuldversicherung kann in bestimmten Fällen in der Tat ein gutes Mittel sein, um individuelle Risiken abzufedern. Dass sie dazu führen soll, einen Kredit in die Not zu treiben, ist dagegen eine wohl kaum zu belegende Finanzmarktfantasie. Wenn das Geld für den Kredit nicht reicht, dann reicht es auch nicht für die Versicherung. Wenn die Versicherung für den Schaden aufkommen muss, ist der Kunde aus dem Schneider – dafür hat er bezahlt. Der Schaden liegt dann beim Versicherer. Der dafür bezahlt wurde. Wo liegt genau das Problem?

 

Handelsblatt: Hilf Dir selbst, sonst hilft Dir keiner!

 

Mit der Initiative zum gesetzlichen Verbraucherschutz hat das Handelsblatt nun so gar nichts am Hut. Wie sollte es das auch haben. Das Handelsblatt denkt nicht wirklich kapitalmarktkritisch. Allerdings bringt es sich mit seiner Argumentation wohl eher unbewusst in die Bredouille:

 

Gutgemeinte Rat- und Vorschläge von Verbraucherschützern retten uns nicht vor Bankberatern, die nur auf fette Provisionen aus. Helfen können wir uns nur selbst. Setzen Sie sich mit Ihren Finanzen auseinander, dann wird kein Banker Sie über den Tisch ziehen.

Aha. Böse, böse, böse sind sie also, die Bankberater. Aber man kann ja nichts gegen sie machen. Die Rubel müssen rollen für den Sieg (Entschuldigung im Voraus für diesen zugegebenermaßen extrem üblen Spruch).

 

„Wenn alle alles wüssten, bräuchte man keinen Verbraucherschutz“?

Und weil das einfach so ist, gibt es nur eine Alternative:

Da nicht davon auszugehen ist, dass die Bankberater und Finanzdienstleister sich ändern werden, müssen wir Kunden uns ändern. Vermutlich braucht Herr Billen dann aber einen neuen Job.

Nochmal aha: Herr Billen ist übrigens der Vorstand des Bundesverbandes der Verbraucherschützer. Die Utopie des Handelsblatt ist also die radikal liberale Lösung: Wenn wir nur noch Produkte kaufen, die wir verstehen, brauchen wir keinen Verbraucherschutz mehr. Das widerspräche aber schon so ein klein wenig dem Prinzip der gesellschaftlichen Arbeitsteilung, oder? Angesichts eines globalen Wirtschafts- und Finanzmarktes und Alltagstechnologien, die wir zwar nutzen, aber nicht wirklich verstehen (wer hat schon mal seinen Computer zerlegt, um zu sehen, wie er funktioniert), wird’s wohl schwer werden.

 

Fazit:

 

Es scheint bei diesen Diskussionen einen stillen Konsens darüber zu geben, dass man mit der Macht der Großbanken und des Finanzmarktes leben muss. Und dass es höchstens darum gehen kann, sich einigermaßen vor ihnen zu schützen.

 

Die Lösung würde wohl aber darin liegen, einfach anders zu denken. Nehmen wir die Zinserträge, die wir für unser Erspartes bekommen. Wir fighten für jedes Zehntel, weil man uns das so anerzogen hat. Im Moment freut sich man dann bei 1,8% oder bei 2,5%. Und in ein paar Jahren werden wir uns wieder bei 5 %, 6% oder 7% freuen. Wie wäre es einfach mal mit ein wenig Geduld? Ist es wirklich angemessen, wegen einem relativen Zehntel alles aufs Spiel zu setzen? Eher nicht, würde man meinen.

 

Also zum Abschluss die übliche Frage: Was können wir tun? Sicher ist die Lösung nicht, dass wir alles verstehen. Sondern dass wir wieder die richtigen Fragen stellen. Zum Beispiel können wir unseren Bankberater fragen

 

-          ob die Bank auch Fremdprodukte verkauft, auf die sie keinen Einfluss hat

-          welche Rolle Provisionen für seine Tätigkeit spielen – und ob er welche bekommt

-          was das Ziel seiner Beratung ist

-          ob er das Anlageprodukt, das er anbietet, auch für sich selbst nutzen würde

 

Noch etwas?

 

Sonst noch was? Ja, klar. Ihr könnt zum Beispiel auch einfach

 

-          unsere Seiten in Facebook und im Web an Eure Freunde und Bekannten weiterempfehlen

-          Eure Bank auf unserer Website bewerten

 

Das würde allen helfen. Und ganz ehrlich: uns auch!

 

 

 

 

 

 

 

weitere Einträge

Kommentare

Kommentar schreiben

Bleiben Sie bitte sachlich und themenbezogen in Ihren Beiträgen und unterlassen Sie bitte links- und rechtsradikale, pornographische, rassistische, beleidigende und verleumderische Aussagen.