Kurzmeldung: Handelsblatt bespricht die Krise. Zins oder Rendite?
Wir haben verschiedentlich über die Denk- und Sprechweisen der verschiedenen Geldmedien gesprochen. Irgendwie wird man das Gefühl nicht los, als seien sie halt immer noch angesteckt vom Kapitalmarkt-Virus. Nix dazu gelernt. Am 22.7.2001 veröffentlicht das Handelsblatt unter der Headline „Profiteure der Schuldenkrise – Deutschland gibt Nachbarn den Takt vor“ einen Artikel, der eine Feinheit enthält, die wir Euch keinesfalls vorenthalten wollen ....
Also hier einmal zwei Ausschnitte aus dem Artikel. Fällt Euch etwas auf?
Um zehnjährige portugiesische Staatsanleihen zu halten, geben sich die Investoren heute mit einer Rendite von 5,4 Prozent zufrieden - knapp einem Prozentpunkt weniger als am 7. Mai. Die Rendite spanischer Anleihen ist von ihrem Hoch bei 4,9 Prozent im Juni auf 4,3 Prozent gefallen. Diese Sätze sind aber immer noch deutlich höher als vor Zuspitzung der Schuldenkrise. "Mit einem solchen Zins kann Spanien sicherlich leben", meint Holger Fahrinkrug, Chefvolkswirt der West LB.
Noch nicht? Dann hier nochmal ein Auszug:
Allein in den neun Monaten bis zum Start des Euro-Rettungsschirms ließ er [Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ]Anleihen über 123 Milliarden Euro am Kapitalmarkt platzieren - mit einem quasi spekulationsbedingten Zinsvorteil von rund einem halben Prozentpunkt gegenüber Frühsommer 2009.
Also hier ist die Auflösung: Das Handelsblatt hat eine seltsame Art, die Begriffe Zins und Rendite durcheinander zu bringen bzw. abzugrenzen.
Zins und Rendite – das Dilemma
Ist ein Zins nur für den Kreditnehmer ein Zins? Oder auch für den Kreditgeber? Bekommt jemand der eine Staatsanleihe zeichnet, nun 4,3 % Zinsen oder Rendite?
Was für den einen der Zins ist für den anderen die Rendite. Die Rendite des einen ist die Last des Anderen.
Das ist natürlich sprachlich ein schweres Dilemma. Für wen ist das Handelsblatt eigentlich? Ja wenn es für Deutschland ist, dann ist es der Zins. Wenn es für Spanien ist, dann ist es nur noch Rendite. So schnell ändert sich die Perspektive. Und Genau darin liegt das Problem.
Rendite ist, was man anderen rausleiert. Etwas also, wovon man gelernt hat, dass man es maximieren muss. Es sei denn, dass man langfristig genug denkt, um zu wissen, dass der übermäßige Gewinn von heute der Verlust von morgen sein kann.
Für wenn soll man da sein?
Schwierig, schwierig fürs Handelsblatt und auch für andere. Aber immerhin haben die diversen vom falschen Denken verursachten Krisen dazu geführt, dass offenbar sogar das Handelsblatt anfängt, die Dialektik des Finanzsystems zu verstehen – naja, sagen wir: sprachlich drüber zu stolpern: Dass der Gewinn des einen die Last des anderen ist. Und dass es win-win-Situationen nur dann geben kann, wenn nicht einzelne, sondern alle profitieren. Und wenn man Maß hält. Wenn Rendite nicht Selbszweck ist. Sondern nur ein anderes Wort für Zinseinnahmen.
Wozu Rendite – wenn’s doch einen guten Zins gibt?
Das wäre vielleicht sowieso besser, wenn man einfach aufhören würde, Staatsanleihen und andere gesellschaftsrelevante Investitionen mit dem Wort Rendite zu belegen. Vielleicht wäre es überhaupt gut, einfach mal das Wort Rendite wieder von der Bühne zu nehmen, auf der es die letzten 10 oder 20 Jahre stand.
Am Rande erwähnt: Man sagt, dass die Großbanken bei schlecht gerateten Staatsanleihen noch mehr Provisionen bekommen als bei guten Ratings. Und zwar mit der Begründung, dass Anleihen mit schlechten Ratings trotz höheren Zinsen schlechter zu „verkaufen“ sind als Anleihen mit weniger Rating-Risiken und niedrigeren Zinsen. Das soll noch einer verstehen. Der üblichen Philosophie entsprechend ist ihnen das Risiko doch ohnehin immer egal gewesen. Weil sie ja eh nur wetten und alles mit Versicherungen abgedeckt haben. Man muss ja nicht alles verstehen .... Die Marktmacher verdienen eh immer dran....
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