Stresstest Nachtrag: Immer schön ablenken!
Oder: Warum ein Geschäftszweck kein Geschäftsmodell sein muss...
Stresstest abgeschlossen. Auf wem wird jetzt herumgedroschen? Ach ja, die Landesbanken mal wieder. Denn die Agenda des Finanzmarkts und der Großbanken ist ja bekannt: Die stören nur – muss man unbedingt privatisieren, fusionieren, abschaffen. Und selbst die Süddeutsche, die eigentlich kritisch hinguckt, sieht es nicht....
Ja, jetzt ist der Stresstest also durch. Und die Finanz-Experten sagten ja schon vorher dazu, dass es vor allem um die Beruhigung der Märkte ging. In diesem Sinne also keine Manipulation (Wir schreiben kürzlich drüber). Sondern eine – zugegebenermaßen alberne – Inszenierung. Es wirkt das Beobachter-Paradox: Wir verändern, was wir beobachten. Oder doch nicht? Ach, egal. Auf jeden Fall braucht der Markt jetzt ein Feindbild. Ach, da sind ja die Landesbanken. Die müssen auch noch abgehakt werden. Auch wenn sie bestanden haben – ist echt egal. Und immerhin waren sie ja nicht so gut wie die wunderbare, die großartige, die herrliche, die reiche, die machtvolle, die internationale Deutsche Bank....
Muss man immer alles fressen, was man liest? Wie immer lohnt es sich, ein wenig tiefer zu graben.
„Geschäftsmodell“ der Landesbanken – braucht man so was?
Am 26.7.2010 zitierte die Süddeutsche Zeitung unter der Headline „Angriff auf die Landesbanken, den Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts DIW, Klaus Zimmermann. Er, so die Süddeutsche:
„brachte es auf den Punkt: "Die Landesbanken haben trotz enormen Zuflusses an öffentlichem Kapital weiter kein Geschäftsmodell."
Also jetzt mal im Ernst, liebe Süddeutsche: Wenn das wirklich „der Punkt“ sein soll, dann können wir dem globalen finanzmarktgesteuerten Kapitalismus in Reinform aber noch eine ganze Weile die Hand drücken und das Wasser tragen. Warum muss man dieses ständige Gerede von Geschäftsmodellen immer so unhinterfragt übernehmen? Sind Landesbanken denn einfache Unternehmen wie jedes andere und brauchen deshalb ein Geschäftsmodell? Genau genommen ist das eigentlich Unsinn. Nur merkt es keiner. Offenbar.
Reicht ein Geschäftszweck nicht mehr?
Nein. Die Landesbanken brauchen kein Geschäftsmodell in diesem unternehmerischen Sinne. Denn die Landesbanken haben einen klaren Geschäftszweck, der aber eben kein Geschäftsmodell ist – und auch keiner sein muss. Ein Geschäftsmodell ist etwas, bei dem man sinngemäß sagt: Das ist der Markt, das ist das Produkt – und das ist die Kohle, die wir verdienen wollen! Und so was brauchen zwar Unternehmen – aber Landesbanken doch nicht! Hat schon einmal jemand gefragt, welches Geschäftsmodell die Polizei oder sagen wir eine Justizvollzugsanstalt hat? Ach ja, der Hessen-Koch hat diese alberne Frage ja wirklich gestellt und einen Knast privatisiert.... Au weia. Zum Glück ist der mal schon weg.
Geschäftszweck der Landesbanken
Also nochmal: Der Ansatz, eine Landesbank durch das Unterschieben der Notwendigkeit eines Geschäftsmodells zu prostituieren, ist der Kern des Problems. Sie braucht kein Geschäftsmodell. Das heißt ja nicht, dass sie sich nicht lohnen würden. Die Frage ist eben nur: Für wen?
Wir können und das ja mal am Beispiel der Satzung der Helaba, also der Landesbank Hessen-Thüringen. Da steht in der im Hessischen Staatsanzeiger am 19.10.2009 veröffentlichten Satzung:
§ 5 Geschäfte
(6) Die Bank kann Bankgeschäfte aller Art und weitere im kreditwirt-
schaftlichen Bereich übliche Dienstleistungen und Geschäfte betreiben,
soweit die Bankgeschäfte und weiteren Dienstleistungen und Geschäfte
unmittelbar oder mittelbar der Zweckerfüllung der Bank dienen.
(9) Die Geschäfte der Bank sind unter Beachtung kaufmännischer
Grundsätze zu führen. Dabei sind allgemein wirtschaftliche Gesichts-
punkte zu berücksichtigen und die Belange der Sparkassen und der
Kommunen zu fördern. Unter Berücksichtigung des öffentlichen
Auftrages der Bank ist die Erzielung von Gewinn nicht Hauptzweck
des Geschäftsbetriebes.
Damit ist ja im Grunde alles gesagt. Das Erzielen von Gewinn ist nicht der (Haupt)-zweck einer Landesbank. Sie ist dafür da, den Wohlstand in der Gesellschaft zu sichern. Sie dient der Gesellschaft – in unserem föderalen Staatsmodell heruntergebrochen auf Länder, Kreise, Kommunen (die für Infrastruktur sorgen) und Unternehmen (die für Wertschöpfung und Mehrwert sorgen).
Natürlich hat es Landesbanken gegeben – wie zum Beispiel die HSH und einige andere – die sich einfach ihrer eigenen Satzung nicht bewusst waren. Und die stattdessen dem Finanzmarkt-Virus erlegen sind. Aber bitteschön: Das ändert doch nichts an der grundsätzliche Legitimität und Richtigkeit solcher Satzungen!
Was ist der Punkt?
Der Punkt auf den wir hier also abheben, ist eben die in der Süddeutschen genannte Fehleinschätzung, dass der Punkt das fehlende Geschäftsmodell der Landesbanken sei. Das entspricht in etwa einer Überlegung die besagt: Wenn viele ein Gesetz brechen, dann muss man es unbedingt abschaffen.
Der Punkt ist aus unserer Sicht ausserdem einfach der, dass Landesbanken ebenso wie Sparkassen und Volksbanken allein schon aufgrund ihrer Satzungen sehr viel mehr Existenzberechtigung haben als der Rest der Finanzwelt. Und solange sie diese Existenzberechtigung trotz erschwerter Bedingungen und massiver Anfechtungen bestätigen, verwirken sie ihre Notwendigkeit auch nicht.
Zu einem ähnlichen Schluss kam wohl „Die Welt“ am 17.2.2009 in einem unter der Überschrift "Die Strukturen müssen zur Wahrheit passen" geführten Gespräch mit Christian Brand, Präsident des Verbandes der öffentlichen Banken.
„Brand: Das können Sie gerade in Baden-Württemberg sehen: Dort haben die öffentlichrechtlichen Banken einen Marktanteil von 60 Prozent bei der Kreditversorgung. Die Landesbanken selbst sind die größten Unternehmenskreditfinanzierer in Deutschland. Gerade in
diesen schwierigen Zeiten muss man froh sein, dass es Banken gibt, die den Fokus haben, in ihrer Region langfristig Kredite zu vergeben.“
Kurzes Fazit:
Einmal mehr zeigt sich hier die Agenda des Finanzmarkts, die selbst kritische Redaktionen mit ihrem Diskurs so sehr eingelullt hat, dass sie die den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen.
Was können wir tun? Vor allem wohl eines: Nicht mehr alles fressen, was auf den Tisch kommt. Wir können auch selbst unsere Bänker einfach mal fragen
- was sie eigentlich von Landesbanken halten
- wie sie die geäußerte Kritik beurteilen
- was der Geschäftszweck ihrer eigenen Bank ist
- und ob sie das für ein Geschäftsmodell halten
Wenn uns die Antworten gefallen, bleiben wir bei der Bank. Wenn nicht? Dann nicht!
Noch was? Natürlich: Ihr könnt auch jederzeit
- uns an Eure Freunde weiter empfehlen
- Euch an der Diskussion beteiligen
- Eure Bank auf unsere – übrigens brandneu gestaltete Website bewerten oder über sie berichten
Klar sind das nur kleine Schritte. Aber besser als nichts. Davon hat jeder was – und ganz ehrlich: Wir auch!
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