Saure Gurken: Zeit / Handelsblatt über Sparkassen in sozialen Medien.
Oder: Global, lokal – scheiß-egal!
Am 2.8.2010 erscheint in Zeit-Online ein Artikel mit der Überschrift „Sparkassen gehen im Internet auf Kundenfang“. Was der Artikel außer der Überschrift genau sagen will, erschließt sich (uns) nicht so richtig. Die Headline kommt auch nicht gerade freundlich rüber. Man muss runterscrollen, um es zu verstehen: der Artikel wurde wortgleich vom Handelsblatt übernommen....
Die Unterzeile des Artikels, der in der Rubrik „Geldanlage“ auftaucht:
„In sozialen Netzwerken versuchen Sparkassen und Volksbanken, junge Neukunden anzulocken. Der Erfolg ist bislang mäßig.“
Wir immer lohnt es sich, ein wenig tiefer zu graben ....
Würdigung der Sparkassen?
Hier erstmal ein Auszug aus dem Artikel:
Während die großen Privatbanken das Thema kaum bearbeiten, investieren vor allem Sparkassen und Volksbanken in den letzten Monaten viel in ihre Präsenz in sozialen Netzwerken. Dabei stoßen sie immer wieder auf die gleichen Hindernisse. Sie wollen den Kontakt zu jungen Menschen, um einen schnellen und unkomplizierten Kanal für ihre Marktforschung zu erhalten - doch die reden lieber über Fußball.
Wollte der Redakteur damit würdigen, dass die Sparkassen für ihre Kunden auch in den sogenannten Sozialen Medien da sein wollen? Falls ja, hat’s nicht richtig geklappt. Er zieht sie lieber durch den Kakao.
Uns fällt da nur eine Frage ein: Wäre es nicht super gewesen, wenn sich auch die Großbanken in den letzten Jahren ein bisschen weniger mit Spekulationen und übertriebenen Renditen und dafür auch ein bisschen mehr mit Fußball beschäftigt hätten? Naja. Träumen bringt ja nix.
Soziale Medien als „Marketing-Gag“?
Die Diskussion über die Nutzung der Sozialen Medien als „Marketing-Instrument„ ist derzeit allenthalben voll im Gange. Und ganz offenbar war das die Prämisse, auf deren Basis das Handelsblatt das Interview mit Claus Friedrich Holtmann, Präsident des Ostdeutschen Sparkassenverbandes führte:
Das erste eigene Konto soll gleich ein Sparkassenkonto sein. Doch es wird immer schwieriger, dieses Ziel zu vermitteln. "Je mehr Zeit Jugendliche vor dem Computer verbringen, desto weniger erreichen sie unsere klassischen Marketingaktionen", so Holtmann. Mit dem Verschenken von Schreibblöcken oder Börsenspielen an Schulen kommt man in einer digitalisierten Welt nicht weit.
Also nochmal von vorne: Die Sparkassen – und übrigens auch die Volksbanken – suchen in den sozialen Medien Kontakt zu ihren bestehenden und möglichen neuen Kunden. Sie unterhalten sich zum Beispiel in StudiVZ über Fußball. Ist das jetzt falsch oder richtig? Oder gut oder schlecht? Und wen interessiert das genau?
Was ist Marketing?
Allein die Tatsache, dass Holtmann sich auf diese Art von Diskurs eingelassen hat, zeigt im Grunde das Dilemma: Man hat den Eindruck, als sei das allgemeine Verständnis von „Marketing“ einfach nur, dass man als Unternehmen halt sehen muss, wie man die Schafe ins Gehege treiben kann, damit sie nachher schön viel Wolle – oder eben Umsatz - liefern. Ist das wirklich ein zukunftsfähiges Konzept von Marketing? Ist das überhaupt Marketing? Was ist Marketing eigentlich? Schlag nach bei Gablers Wirtschaftslexikon:
Der Grundgedanke des Marketings ist die konsequente Ausrichtung des gesamten Unternehmens an den Bedürfnissen des Marktes. Heutzutage ist es unumstritten, dass auf wettbewerbsintensiven Märkten die Bedürfnisse der Nachfrager im Zentrum der Unternehmensführung stehen müssen. Marketing stellt somit eine unternehmerische Denkhaltung dar. Darüber hinaus ist Marketing eine unternehmerische Aufgabe, zu deren wichtigsten Herausforderungen das Erkennen von Marktveränderungen und Bedürfnisverschiebungen gehört, um rechtzeitig Wettbewerbsvorteile aufzubauen.
Es ist die wichtigste Bedeutung von Marketing, dass ein Unternehmen sich mit jeder Faser seines Organismus auf das Wohl seiner Kunden einstellt. Dass es einen gesellschaftlichen Bedarf stillen kann. Und zwar besser als andere. Und zwar nicht auf der Ebene von Kommunikation oder Werbung – sondern vor allem auf der Ebene von Produkten, die den Menschen nutzen und ihnen weder kurzfristig noch langfristig schaden. Das ist Marketing. Alles andere ist renditeorientiertes Geschwafel, das immer zu kurz greifen wird. Hallo! Sieht das noch jemand? Jetzt mal ganz ehrlich: Wenn wir solche Artikel lesen, sehen wir dann die Botschaft zwischen den Zeilen?
Das Ganze erinnert den Autor ein wenig an eine Zeile eines Liedes von Genesis (das waren noch Zeiten ....):
And so with gods and men
The sheep remain inside their pen
Though many times they’ve seen the way to leave...
Bleibt in der Familie
Also: Die Zeit hatte offenbar Saure Gurken-Zeit – weil alle in Urlaub sind, passierte nichts Gescheites. Aber man musste die Seiten füllen. Also übernahm man mal was vom Handelsblatt. Kann ja mal passieren.
Wie gesagt: Es lohnt sich immer, ein wenig zu graben.
Warum erschien in der Zeit wortgleich ein Artikel aus dem Handelsblatt? Was man wissen sollte:
Am 26.3.2009 meldet der Stern:
Dieter von Holtzbrinck, bis 2006 Chef der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck, kauft von seinem Bruder die überregional bedeutenden Blätter des Stuttgarter Verlags - darunter "Handelsblatt", "Tagesspiegel" und "Die Zeit".
Und warum spricht der Artikel vornehmlich über StudiVZ und junge Leute?
Der Stern gibt schon am 3.1.2007 die Antwort:
„Die Stuttgarter Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck hat für 85 Millionen Euro die Internet-Gemeinde StudiVZ.net übernommen.“
Also: Es bleibt alles in der Familie. Die Medien sind mit Meldungen versorgt, StudiVZ wird bekannt gemacht. Alles klar... Und wir lesen und lesen und lesen...
Fazit:
Nein, solche Artikel können gerne im Handelsblatt erscheinen – wie das Handelsblatt tickt, weiß man ja. Aber in der ZEIT? Lieber nicht ...
Hier noch ein Auszug aus dem Artikel:
Ganz klar: In sozialen Netzwerken locken einerseits direkte Kontaktmöglichkeiten zu Millionen von potenziellen Kunden - andererseits droht die Gefahr, die eigene Marke zu veralbern und Ressourcen im ziellosen Geplauder zu verbrennen. Die Gefahr, dass die Marketingversuche im Internet verpuffen, erhöht sich durch die starke lokale Orientierung der Sparkassen und Volksbanken. Fast jedes der Institute unterhält eine eigene Plattform, jedesmal ist der Auftritt anders. Während zum Beispiel die Sparkasse Pforzheim dieser Tage versucht, den Nutzern ihre Einschätzung zur EU-Einlagensicherung zu vermitteln, beschäftigt sich das Schwesterinstitut aus Köln noch mit dem WM-Finale.
Es ist also „ganz klar“: Die lokale Orientierung von Sparkassen und Volksbanken birgt also die Gefahr, dass Ressourcen verpuffen. Sollen sie es deshalb nicht machen und lieber keine Energie in den Kunden investieren, der ohnehin nur noch selten in der Zweigstelle Zeit verbringt? Oder wie? Oder was? Das ist nicht klar.
Das Postulat, das hinter solchen Artikeln steht, ist schon irgendwie albern: Die Globalität des Netzes und die lokal orientierten Banken würden sich also nicht vertragen. Wieso eigentlich nicht? Wahrscheinlich, weil das einfach der Denkweise entspricht, dass alles immer nur dann gut ist, wenn es riesig ist und riesigen Profit verspricht. Aber das stimmt gar nicht. Denn eigentlich ist es ganz einfach: Die Menschen gehen dorthin, wo sie sich gut aufgehoben fühlen. Global, lokal – scheiss-egal.
Was sollen wir nun über solche Artikel denken? Und was sollen wir vor allem darüber denken, dass Sparkassen und Volksbanken - und vielleicht auch bald die Großbanken - sich in den sogenannten Sozialen Medien engagieren? Vielleicht sollten wir es einfach mal herausfinden:
Wir können unsere Banker fragen
- ob ihre Bank auf Facebook, StudiVZ und Co aktiv ist
- warum die Bank das macht bzw. warum sie es nicht macht
- welche Ziele sie damit verfolgt
- was „Marketing“ für sie ist
- welche Philosophie sie überhaupt bezüglich „des Marktes“ hat
Brauchen die anständigen Banken eine Plattform, die sich überregional für die Interessen ihrer Kunden einsetzt? Genau betrachtet übernehmen wir diese Aufgabe ja bereits für sie. Nur eben auf unsere Art – fast ganz ohne Fußball....
Noch etwas? Natürlich: Ihr könnt auch jederzeit
- unsere Artikel teilen
- uns an Eure Freunde weiter empfehlen
- Euch an der Diskussion beteiligen
- Eure Bank auf unserer – übrigens brandneu gestalteten Website bewerten oder über sie berichten
Klar sind das nur kleine Schritte. Aber besser als nichts. Davon hat jeder was – und ganz ehrlich: Wir auch!
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