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Deutsche Bank: Zins-Swaps vor Gericht. Oder: Die Glücksritter schlagen zurück.

Die Deutsche Bank wurde wegen des Verkaufs von Zins-Swaps von mehreren Unternehmen verklagt. Nach mehreren Revisionen ist das Verfahren jetzt beim BGH. Und sofort bricht das mediale Gefecht um die Zins-Swaps los. Reuters zitiert den Anwalt der Deutschen Bank, der gleich ordentlich auffährt: "Dann lösen sie eine zweite Finanzkrise aus". Eine geradezu wahnsinnig logische Argumentation, die er da auffährt: Das schüfe ja „eine neuartige Pflicht für die Banken zur Aufklärung über ihre Renditen“. Und darauf könnten sich dann alle Kunden berufen, wenn ihre Spekulationen schiefgingen. Aha...?

 

Da steckt tatsächlich jede Menge Brisanz drin. Denn genau betrachtet sollte ja ein gutes Geschäft immer nur dann ein gutes Geschäft sein, wenn es beiden Geschäftspartnern etwa gleiche Vorteile bringt. Und genau das kann eben bei Zins-Swaps schlicht überhaupt nicht der Fall sein. Denn ein Zins-Swap ist in der Tat nichts anderes als eine Wette. Und bei einer Wette kann immer nur einer gewinnen. Und einer verlieren.

 

Wie ist das nun eigentlich mit den Zins-Swaps und  mit dem Glücksspiel? Wie immer lohnt es sich, ein wenig tiefer zu graben....

 

Glücksspiel als Geschäftsmodell?

 

Vor dem BGH wird im Grunde auch die Frage gestellt, die wir uns schon seit geraumer Zeit stellen. Sind Zins-Swaps nun ein Glückspiel oder nicht? Und wenn Zins-Swap Glücksspiele sind, dann müssten ja eigentlich auch viele Zertifikate und andere Finanzwetten als das deklariert werden, was sind: Nämlich Glücksspiele. Hier zeigt sich wunderbar die völlige Durchdringung des unternehmerischen Denkens durch das Finanzmarkt-Virus.

 

Die grundsätzliche Frage, ob das Abschließen von Wetten überhaupt ein gutes, seriöses und der Gesellschaft nachhaltig dienendes „Geschäftsmodell“ für irgendjemanden ist – sei es eine Bank oder ein Unternehmen – wurde in den letzten Jahren im Finanzmarkt und im Businessbereich nicht wirklich gestellt. Was technisch möglich ist und verkauft werden kann, wird auch realisiert.

 

Glücksspiel als Börsenprodukt

 

Ob bestimmte Produkte noch einen ethischen oder gesellschaftlichen Sinn macht, wird nicht mehr gestellt. Im Gegenteil: Das Wetten auf albernste Ereignisse ist sogar am regulierten Finanzmarkt erlaubt. Nachdem es vor Jahren schon einmal Fussball-Zertifikate gab, führte u. a. der Börsenmakler Tradegate solche Zertifikate unter dem Namen bei „Ex-tra Sportzertifikate“ auch wieder ein. Wo liegt der Sinn? Auf der Tradegate-Website findet man eine Erklärung, die im Grunde jedem vernünftigen Menschn zu denken geben sollte. Dort heisst es nämlich:

 

In der rechtlichen Konstruktion unterscheidet sich ein Ex-tra Sportzertifikat® nicht wesentlich von zehntausenden anderen in Deutschland gehandelten derivativen Wertpapieren unterschiedlicher Bezeichnungen (Zertifikate, Optionsscheine etc.). Es handelt sich um eine Schuldverschreibung, in denen der Emittent verspricht, dem Inhaber des Wertpapiers zu einem bestimmten Zeitpunkt, abhängig von dem Ausgang eines bestimmten Ereignisses, einen festgelegten Betrag auszuzahlen. Bis zum Fälligkeitszeitpunkt der Schuldverschreibung verändert sich der Preise des Wertpapiers ständig, weil die für die Auszahlung maßgeblichen Bezugsgrößen (Aktienkurse, Devisenkurse, Zinsen etc.) sich auch verändern. Die Produktinnovation bei Ex-tra Sportzertifikaten® besteht darin, dass maßgeblich für die Auszahlung zum Endzeitpunkt der Ausgang eines sportlichen Wettbewerbs, Turniers oder einer Meisterschaft ist. Damit handelt es sich um ein hybrides Spezialprodukt.“

 

Wir lernen also: Nicht nur ist eine Fussball-Wette ein normales Börsenprodukt – sondern im Umkehrschluss sind alle derivativen Papier eigentlich nur Wetten. Wie krank musst Du sein, um hier nicht den Kopf zu schütteln. Geht’s noch?

 

Wer nun denkt, dass das ja eine völlig abseitige Entwicklung ist, die mit dem normalen seriösen Geschäft nichts zu tun hat, sollte sich mal nicht so sicher sein. Denn am 30.11.2009 meldete die Plattform Aktionär Online:

 

„Hammer-Deal: Deutsche Börse steigt bei Tradegate ein.“

 

Nein, diese ganze Wetterei ist ein wesentlicher Bestandteil des Finanzmarkt-Systems. Jetzt mal im Ernst: Wie durchgeknallt kann ein System sein, um sich mit seiner eigenen Logik auf die Dauer ad absurdum zu führen? Wie kann man solche Produkte ernsthaft handeln? (Genau genommen müssten man ja fragen: Wie kann man Zertifikate überhaupt ernsthaft handeln? Aber naja.) Und Tradegate würde wohl sinngemäß sagen: Es geht doch hier nur um eine unternehmerische Einschätzung von Chancen und Risiken. Die ganze Ökonomie funktioniert doch so. Und was wollt Ihr denn überhaupt – ist doch alles reguliert und entspricht den Zulassungsregeln.

 

Die Börsen sind eigentlich als ein Marktplatz für den Handel mit Unternehmensanteilen konzipiert gewesen. Dass sie heute allzu oft nur noch Wetten auf whatsoever handelt, stört wohl keinen. Einzig bei den Werbespots der staatlichen Lotterien hören wir die Warnung noch: „Glückspiel kann süchtig machen.“

 

Durch das anstehende Gerichtsurteil könnte jetzt deutlich werden: Finanzmarkt-Spielereien können auch süchtig machen.

 

Ungleiche Chancen

 

Aber zurück zu den Zins-Swaps und dem Urteil: Perfide an all dem ist im Grunde, dass bei den Zins-Swap-Geschäften nicht nur die Chancen ungleichmäßig verteilt sind, sondern vor allem, so schreibt Reuters, die Deutsche Bank auf jeden Fall mit Provisionen Geld verdient. Und zwar vorab. So zitiert Reuters die Mahnung des BGH, die Deutsche Bank habe „versäumt“  dem klagenden Unternehmen etwas über die „für das Unternehmen ungünstige Struktur des Zinsswaps“ aufzuklären. Bevor eine theoretisch mögliche Gewinnzone erreicht werden konnte, kassierte die Bank vom Unternehmen gleichmal  satte 80.000 Euro aufholen, mit der sie „ihre Kosten abdeckte, das Risiko absicherte - und ihren Gewinn vorab abschöpfte“. Das Ganze führte laut BGH zu einem "negativen Marktwert" für den Kunden. Man kauft also quasi selbst die Wette noch schlecht ein.

 

Interessenkonflikte

 

Wenn der Bank von Anfang an klar ist, dass sie auf jeden Fall gewinnt – und eben nicht nur gemeinsam mit dem Kunden ein Risiko trägt und dafür dann auch ein gerechtfertigtes Honorar, eine Prämie oder Bezahlung erhält, dann hat sie laut BGH einen „Interessenkonflikt mit dem Kunden“ aufzulösen. Man könnte auch sagen: Es geht hier um die Frage, ob der Kunde tatsächlich Partner ist – oder eben nur noch eine verschieb- und manipulierbare Masse zur Befriedigung der Spielsucht des Finanzmarkts.

 

Wir erlauben uns den Hinweis, dass die Deutsche Bank auch Zins-Swaps nur den Vorreiter spielt. Auch andere Banken haben dieses absurde „Produkt“ verkauft. Das Drollige an diesem speziellen Vorgang zeigt auch Reuters auf: Der Geschäftsführer des klagenden Unternehmens hätten den Swap vor allem deshalb gekauft, „weil sie Verluste aus einem anderen Zinstauschgeschäft mit der Dresdner Bank ausgleichen wollten.“

 

Informations-Asymetrie

 

Noch drolliger ist die Art, wie Reuters Den Anwalt der Deutschen Bank zitiert: „Um die Zinsformel zu verstehen,“ so heißt es bei Reuters, „sei kein Studium notwendig“.

Da hat er recht – aber nicht so, wie er sich das vielleicht dachte: Denn um Lotto zu spielen ist ja auch kein Studium nötig.

 

Um es einmal auf einen kurzen und griffigen Punkt zu bringen:

 

Zins-Swaps sind eben kein Pokerspiel, bei dem man gegeneinander spielt und mit spielerischem Geschick gewinnen kann. Zins-Swaps sind einfach nur ein Glücksspiel, eine Wette, bei der nur einer verlieren und einer gewinnen kann.

 

Der Verdacht liegt nahe, dass die Banken ihre Zins-Swaps eben im Verkaufsgespräch nicht als Glücksspiel, sondern als ein gewieftes Pokerspiel verkauft haben. Also als etwas, bei dem man zwar auch Kartenglück haben muss, aber doch den Verlauf des Spiels beeinflussen – und auch mal passen kann. Aber passen kann man bei einem Zins-Swap nicht wirklich. Denn man ist ja vertraglich gebunden.

 

Glückspiel in Deutschland und der EU

 

Also nochmal grundsätzlich: Ist Glückspiel überhaupt eine gute Sache? Spätestens mit dem am 1. Januar in Kraft getretenen deutschen Glücksspielstaatsvertrag liegt das Monopol ja schwerpunktmäßig wieder beim Staat. In einem Offenen Brief an die Ministerpräsidenten der Länder legten die Lottogesellschaften wert darauf, dass Glückspiel insofern in Ordnung ginge, als es ja dem Gemeinwohl diene:

 

„Der Glücksspielstaatsvertrag sichert die gemeinnützige Verwendung der Lottogelder, derzeit circa 7 Mrd. EUR jährlich. Rund 50% werden an die Spieler ausgeschüttet. Und circa 40% fließen in gemeinnützige Zwecke sowie an die Bundesländer.“

 

Delikaterweise erging gerade kürzlich ein EU-Urteil, in dem festgestellt wurde, dass der deutsche Glückspsielstaatsvertrag mit dem staatlichen Monopol ja wettbewerbsverzerrend sei. So schreibt die Website anwalt.de am 9.2.11:

 

„Sowohl der 2008 in Kraft getretene Glücksspielstaatsvertrag als auch das Thüringer Glücksspielgesetz verstoßen gegen EU-Recht. Dies hat das Verwaltungsgericht (VG) Gera entschieden und festgestellt, dass die klagende Sportwetten Gera GmbH berechtigt ist, das Sportwettengewerbe auszuüben. Nach Ansicht des Gerichts geht es den Ländern beim staatlichen Wettmonopol weniger um den Verbraucherschutz als darum, eine traditionelle staatliche Einnahmequelle aufrechtzuerhalten.“

 

Die auch wieder nur renditeorientierte Feststellung, dass es ja beim Lottomonopol auch nur um Geld – und eben nicht um Vebraucherschutz – ginge, ist auf gewisse Weise typisch für die derzeitigen Entscheidungen der EU. Gemeinwohl soll halt immer durch den Wettbewerb gesichert werden... Das kann man so sehen. Man muss es aber nicht.

 

Fazit

 

Es war vorauszusehen, dass die Deutsche Bank hier medial und argumentativ ihre Register ziehen würde. Das muss sie quasi tun. Denn hier droht sich ihr System in einer anderen Art von logischer Vernunft aufzulösen. Das kann teuer werden.

 

Es ist wichtig, das noch einmal zu sehen: Das anstehende BGH-Urteil bezieht sich lediglich auf ein klagendes Unternehmen. Es wird aber Strahlwirkung haben. Die Deutsche Bank soll solche Deals mit mindestens 200 Unternehmen und Kommunen gemacht haben. Deshalb warnt ja eben der Anwalt der Deutschen Bank vor einer zweiten Finanzkrise. Wenn tatsächlich alle ihr Verluste einfordern können, wird’s für viele Banken teuer.

 

Wir würden mal so sagen: Es geht im Grunde nicht darum, dass entstandene Verluste ausgeglichen werden. Wer sich dem Finanzmarkt freiwillig hingibt, muss auch die unternehmerischen Risiken tragen. Das ist schon so. Aber vielleicht – so steht zu hoffen – wird das BGH-Urteil zu einer grundsätzlichen Diskussion und zu einem Denken nach vorne führen. Und vorne würde die Frage liegen: Was für einen Finanzmarkt brauchen wir denn überhaupt? Welche Produkte dienen dem Gemeinwohl und sind deshalb notwendig? Und welche Produkte sind nur da, um über irgendwelche abstrakten und von der Realität losgelösten „Differenzen“ einfach nur Rendite zu machen und abzuschöpfen? Also - es bleibt spannend – bleiben wir dran!

 

Was können wir sonst noch tun? Natürlich: Ihr könnt auch jederzeit

 

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