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Privatbanken-Verband: Stresstest für Staatsanleihen? Oder: Keine Zeit für nichts und niemand.

"Staatsanleihen sind nicht sakrosankt (…), sagte der Präsident des Bundesverbands deutscher Banken BdB, Andreas Schmitz laut FTD (17.2.11)- „Ein Schuldenschnitt scheine unvermeidlich (…) Zu den Stresstests sagte er, „diese müssten auch für Staatsanleihen rigider sein.“ Die Finanzmarkt-Visionäre, Weltenretter und regelbasierten Rendite-Ausrechner haben sich also mal wieder etwas überlegt. Warum eigentlich?

 

Mal eben vorab: Der Bankenverband repräsentiert nach Angaben auf seiner Website mehr als 210 private Banken und elf Mitgliedsverbände. Die dem Verband angeschlossenen Institute, so steht da geschrieben, stehen miteinander in intensivem Wettbewerb. Aber offenbar haben sie schon eine gemeinsame Denkweise...

 

Die Großbanken würden also Staatsanleihen - vor allem die von Griechenland - gerne behandeln wie jede andere Anleihe und jedes andere Bankprodukt auch. Um das zu können, müsste man sie zum Bestandteil des nächsten Stresstests machen. Sie würden ihren geschützten Sonderstatus verlieren.

 

"Staatsanleihen sind nicht sakrosankt“ sagt der Schmitz vom Großbankenverband also. Sakrosankt heißt so viel wie heilig. Dass den Großbanken nichts oder nur wenig wirklich heilig ist, dürfte immer bekannter geworden sein. Höchstens vielleicht ihre eigene Logik.

 

Und: Den Stresstest sollen die Staatsanleihen machen. „Stress haben“ heisst ja umgangssprachlich soviel wie „keine Zeit“ haben.

 

Wie immer lohnt es sich, ein wenig tiefer zu graben...

 

Beispiel Griechenland

 

Erstmal zum Hintergrund: Staatsanleihen haben im Verhältnis zu anderen gehandelten Werten einen Sonderstatus. Sie sind eigentlich unsinkbar „Staatsanleihen liegen bis zum Ende ihrer Laufzeit in den Büchern der Banken.“ so schreibt die FTD. . Nachdem „griechische Papiere nur noch zu etwa 70 Prozent ihres Nennwerts gehandelt würden“, macht sich das für renditeorientierte Banken irgendwie nicht gut.

 

Da mag der gewiefte Bänker wohl denken: Es ist doch völlig logisch und auch üblich, dass man eine Kapitalanlage, die nicht richtig funktioniert, auch hart bewertet. Eventuell kann man sie ja auch rausschmeißen und mit dem Geld was anderes machen. Wo doch die Aktien und die Rohstoffe so gut gehen...

 

 

Den Großbanken würde das wohl deshalb laut Schmitz nichts ausmachen: "Ein Schnitt in Griechenland würde den deutschen Bankensektor nicht umwerfen - und auch keine einzelne Bank."

 

Mal überlegen: Wenn die Großbanken mehr Stress wünschen, dann haben sie wohl ihre Gründe. Und denen opfern sie im Zweifelsfall auch ganze Staaten. Solange sie da selbst nicht wohnen.

 

 

Versicherer und Pensionsfonds

 

Stärker betroffen seien allerdings auch laut FTD die Versicherer oder Pensionsfonds. Und da kommen wir der Sache schon näher. Denen würde es wohl mehr ausmachen. Das würden nun die Verbraucher nicht so lustig finden. Weil eben Pensionsfonds und Versicherer ja die Altersvorsorge von vielen Menschen sicherstellen müssen. Die Betriebliche Altersvorsorge und - ja genau, die Altersvorsorge, von der man in den letzten 10 Jahren immer sagte, man müsse sie stärker privat lösen. Wär ja nicht so gut, wenn es da zu Unsicherheit käme.

 

Aber den Großbanken macht das scheinbar nicht sehr viel aus. Wen kümmert’s. Die sind ja nur ihren Aktionären verpflichtet. Und nicht den Menschen im Land.

Fatal ist, dass bei einem Aufbrechen des Status von Staatsanleihen die nächste Krise quasi garantiert wäre. So erklärte uns die Wirtschaftswoche (9.12.10) in „Altersvorsorge und Euro-Krise: Euro-Retter Deutschland im Schuldensog“:

 

Von 2013 an sollen  (Versicherer und Pensionskassen) nach dem Willen der EU-Finanzminister ihr Eigenkapital an das Risiko ihrer Geldanlagen anpassen. Je risikoreicher sie anlegen, desto mehr Eigenkapital müssen sie als Puffer für mögliche Verluste bereithalten. Für Aktien planen Regulierer unter den Solvency-II-Regeln 40 und für Immobilien bis zu 25 Prozent der Anlagesumme. Nur für EU-Staatsanleihen wird bislang kein Eigenkapital fällig, auch nicht für Papiere aus Griechenland oder Irland.

Und genau diesen Status würden die Großbanken jetzt also doch gerne aufbrechen. Des einen Freud, des anderen Leid.

 

Das Grünbuch der EU

 

Also mal ehrlich: Dieser ganze Vorgang zeigt trotz oder vielleicht gerade wegen all dieser inneren Finanzmarkt-Logik immer deutlicher, wie falsch die Prämissen sind, auf denen das ganze Spiel aufbaut.

 

Denn interessanterweise wusste die EU schon 1997, dass der Anlagedruck der Pensionskassen so groß sein würde, dass er mit Staatsanleihen gar nicht mehr zu decken wäre.

 

Im „Grünbuch der Kommission vom 10. Juni 1997 über die zusätzliche Altersversorgung im Binnenmarkt“ wurde das Ziel festgeschrieben:

„Es soll darauf hingewirkt werden, daß sich die im Kapitaldeckungsverfahren finanzierten Zusatzrentensysteme unabhängig von der ihnen durch die Mitgliedstaaten zugedachten Rolle im Umfeld von Binnenmarkt und Freizügigkeit der Arbeitnehmer wirksam entfalten können.“

 

Danke für diese wettbewerbsorientierte Denkweise. Oder wie war das gemeint? Mal sehen:

 

In den Zusatzrentensystemen spielen fest verzinsliche Wertpapiere eine wichtige Rolle, besonders Staatsanleihen, der Anteil der Aktien ist viel geringer. Manche Pensionsfonds könnten ihre Rendite durch Diversifizierung ihres Portefeuille und unter Nutzung des gemeinsamen Anlagemarkts steigern.

Mit der Zunahme von ergänzenden, auf dem Kapitaldeckungsverfahren beruhenden Altersversorgungssystemen in der EU erhöht sich auch der Umfang der finanziellen Vermögenswerte, die für Kapitalanlagen bereitstehen. Das Angebot an Staatsanleihen dürfte diesem Wachstum kaum folgen können. Die Kapitalmärkte müssen sich auf die Aufnahme dieser Anlagenmittel einstellen. Die gemeinsame Währung, der Wettbewerb unter Finanzinstituten und Finanzplätzen und der Anstieg der verfügbaren Anlagenmittel dürften die EU-Kapitalmärkte günstig beeinflussen.

 

Ja. Doch. Es geht bei der Grundlegung des Papiers tatsächlich darum, die Rendite zu erhöhen, den Wettbewerb zu stimulieren und damit die EU-Kapitalmärkte zu stärken. Hat prima geklappt...

 

Die Großbanken

 

Drolligerweise sagte der Leiter Anleihegeschäft von DWS – der Fondsgesellschatf der Deutschen Bank im Interview mit Faznet vom 23.10.10, DWS habe gerade erst

„zweijährige Staatsanleihen aus Griechenland gekauft und „prächtig daran verdient“.  Wir gratulieren nachträglich. Überhaupt, so zitiert Faznet den Anleihe-Experte noch vor einem Jahr: „Ich glaube nicht, dass das Land bankrottgeht. Im Zweifel wird dem Land geholfen werden.“ Ja was denn nun? Ach so, war das noch vor der Anleihekrise? Nein, eigentlich nicht...

 

Die Großbanken finden den Sonderstatus von Staatsanleihen einfach nur deshalb blöde, weil er sie einengt. Mit möglichen Verlusten können sie umgehen. Die kann man ja abschreiben. Mit Einengungen nicht so gut...

 

Und vielleicht missfällt ihnen auch die Tatsache, dass die Versicherer so viel Geld an ihnen vorbei kanalisieren. Wer weiß es schon...

 

Das System

 

Bleibt noch eine Frage: Wie sieht die politische Dimension dieser Angelegenheit aus? Welches sind denn die Optionen der Regierungen aus? Am 19.1.11 zitierte die FTD den Wissenschaftlichen Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung:

 

Sicherlich, ein Schuldenschnitt, der auch die Verursacher der Finanzkrise an ihren Folgen beteiligen würde, wäre nur allzu gerecht. Allerdings würde es hier überwiegend die Falschen treffen.

Primär verantwortlich für die Krise waren die Deregulierer und die Investmentbanker - ob bei Banken oder Hedge-Fonds. Staatspapiere werden jedoch vor allem von Lebensversicherern, Pensionsfonds und Banken gehalten. Zudem hätte eine solche Aktion wegen der horrenden Abschreibungen möglicherweise weitere Rettungspakete zur Folge, die für den Steuerzahler teuer würden. Wichtig wäre es, dass die Politik einen Richtungswechsel vornimmt und dass diejenigen, die die Kosten der Krise am besten schultern können und gegebenenfalls auch von den bisherigen Strukturen profitiert haben, den größten Anteil der Kosten tragen. Das kann nur durch steuerpolitische Maßnahmen passieren, nicht durch einen Schuldenschnitt.

So, und jetzt mag der eine oder andere sagen: Die Hans-Böckler-Stiftung gehört doch zum DGB. Das ist richtig. Von daher kann man sicher sein, dass die von ihr vorgeschlagene Variante nicht die liberalste von allen ist – und dass in ihr der Wettbewerb und die Rendite nicht den Vorrang haben.

 

Aus der Finanzmarkt-Logik heraus mögen die Staatsanleihen ja in der Tat genügend Ansätze bieten, um sie wie normale Anlagen zu behandeln: Sie performen schlecht und wenn man dem allgemeinen Gerede glauben darf, droht manchen Staaten die Insolvenz. Allerdings werden wir wohl nie verstehen, wie denn ein Staat, eine Volkswirtschaft abgewickelt werden soll. Ach ja, deshalb wird ja von einem Schuldenschnitt gesprochen. Den Banken würde es also nichts ausmachen.

 

Aber vielleicht macht es ja uns etwas. Denn die Problematik besteht nicht zuletzt darin, dass in den Pensionskassen derartig viel Kapital – also das Geld, das irgendwann mal für Renten benötigt wird – liegt, dass sie gar nicht wissen, wohin damit. Was sie auf jeden Fall wissen: Sie müssen – oder wollen – Anlagesicherheit mit einer möglichst guten Rendite kombinieren. Deshalb geben sie das viele Geld zum Beispiel auch an Hedge Fonds, die dann eben das Meiste draus machen. Und so kann es dann passieren, dass sich ein eigentlich in Ordnung gehender Ansatz durch das Finanzmarkt-System gegen sich selbst richtet. Dass die Katze sich also wieder mal in den Schwanz beisst.

 

Fazit

 

Das Fazit ist einfach und kompliziert zugleich. Das ganze System ist irgendwie völlig durchgeknallt. Ein paar Algorithmen, ein paar schlaue Worte, ein paar gut platzierte Artikel – und schon haben wir wieder Bewegung im Markt. Bleibt die Frage: Wem nützt all diese Bewegung? Ja, das muss man sich immer wieder fragen. Und die Antwort fällt zunehmend schwerer. Weil die aufgebauten Abhängigkeiten mittlerweile so komplex sind, dass sie kaum noch zu entflechten sind. Die wettbewerbs- und renditeorientierte Kapitalmarkt-Logik beherrscht alles.

 

Und diese Logik des Finanzmarkts basiert auf einer Prämisse, die sehr ungesund, ja unheilig ist: Alles muss sich so schnell wie möglich rechnen. Kapital ist ungeduldig. Ein scheues Reh, wie man so schön sagt. Es rennt immer gleich weg, wenn was nicht so tut, wie es soll. Deshalb würde es der Bundesverbank der Privatbanken für richtig halten, wenn man die letzte Domäne der Sicherheit und der Unbeweglichkeit auch noch flexibilisieren könnte. Dann kann das Kapital noch schneller rennen. Wenn die Banken das mal schnell ein paar Milliarden kostet, macht ihnen das nach eigenen Angaben nichts.

 

Wenigstens sind nicht alle völlig durchgeknallt und nur noch an sich selbst interessiert. Denn, so schreibt die FTD im genannten Artikel:

 

Andere Bankenverbände reagierten denn auch überrascht. "Es wäre erstaunlich, wenn man so eine Annahme machen würde. Denn damit würde man die Wirksamkeit des Euro-Rettungsschirms infrage stellen",

Im Verband öffentlicher Banken sind Banken organisiert, „deren Anteile ganz oder teilweise von der öffentlichen Hand direkt oder indirekt gehalten werden und/oder die besondere aus dem öffentlichen Interesse erwachsende oder im öffentlichen Interesse stehende Aufgaben wahrnehmen.“

 

Und laut FTD lehnt selbst der globale Bankenverband Institute of International Finance (IIF) solche Debatten ab.

"Gegenwärtig ist es zu früh, zu der Schlussfolgerung zu kommen, dass irgendein Land einer Restrukturierung bedarf", so IIF-Geschäftsführer Charles Dallara in Paris. Man müsse Griechenland Zeit geben, Vertrauen zurückzugewinnen.

 

Offenbar ist Zeit der Faktor, um den sich alles dreht. In einem System, das innerhalb von Sekunden Milliarden verschieben kann, gibt es keine Zeit mehr. Keine Zeit zum Nachdenken. Keine Zeit, um das Wesentliche noch zu erkennen. Und das Wesentliche ist ganz bestimmt nicht die Rendite. Diese Problematik wird gerade bei den Pensionskassen deutlich: denn das in ihnen liegen Geld ist nichts anderes als ein Zeitspeicher. Die Renten von morgen.

 

Ob doch noch irgendwann Vernunft einkehren wird? Wir bleiben dran...

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