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Ackermann: Risk-Taker, Boni und Weltkonjunktur. Oder: „Verhaltensanreize“ für den Weltfrieden…

Am 4.2.11 berichtete u. a. Reuters über die Rede Josef Ackermanns - dieses mal als Präsident des internationalen Bankenverbandes IIF -  in der er bei Boni-Regelungen für Bänker mehr Anstrengungen forderte. Parallel dazu, so Reuters und andere weiter, forderte Ackermann international einheitliche Regulierungen. Was könnte hinter diesen parallelen Forderungen stecken? Das interessierte uns natürlich…

Fangen wir also mal von hinten an - mit der Forderung des internationalen Bankenverbandes IIF, dessen Präsident er ist. Hierzu zitiert die FTD („Ackermann gegen zu starke Fesseln für Banken“, 4,3,11):

"Wir beobachten, dass nationale Behörden ihre eigenen aufsichtsrechtlichen Ansätze entwickeln oder die Basel-Kapitalrichtlinien anpassen oder erweitern".

Das findet Ackermann nicht gut. Weil es den Interessen der Großbanken und des Finanzmarkts entgegenstehen könnte? Aber nein, nicht doch! Nationale Regelungen könnten zu Wettbewerbsverzerrungen führen – und das kann ja unmöglich im Sinne der EU sein, die ja auf freien Wettbewerb so großen Wert legt. Soll man das ernst nehmen?

Wie immer lohnt es sich, ein wenig tiefer zu graben…

Der Finanzmarkt und die „Weltkonjunktur“

 

Also mal ganz einfach gesagt: Es ist halt so, dass aus Ackermanns Sicht ja bei einer globalen Betrachtung eine international nicht abgestimmte und vor allem eine „zu weit gehende“ Regulierung ja möglicherweise das globale Finanzsystem und die Weltkonjunktur gefährden könnte. Das ist die Angst – oder die Drohung – die Ackermann da formulierte.

 

Hm ....Weltkonjunktur ... was mag das eigentlich genau sein? Der Begriff geistert ja schon seit Jahren immer wieder mal durch die Presse und Reden. Da stelle mer uns janz dumm. Was ist eigentlich Konjunktur? Wir schlagen mal nicht faul bei Gablers Wirtschaftslexikon nach. Dort lernen wir:

 

„Der Begriff Konjunktur wird verwendet, um die Existenz von zyklischen Bewegungen (Konjunkturzyklus) anzuzeigen und die wirtschaftliche Lage eines Sektors oder der gesamten Wirtschaft im Verlauf eines solchen Zyklus zu beschreiben.“

 

Konjunktur ist also ein zyklisches Auf und Ab. Etwas, von dem weiß, dass es sich immer und immer wieder wiederholt. Das bedeutet soviel wie: Wenn man von Konjunktur spricht, dann akzeptiert man, dass es auch in der Wirtschaft ein stetiges Auf und Ab gibt. Aber was ist dann genau Weltkonjunktur? Ist das die Summe aller nationalen und markt- und branchenbezogenen Konjunkturzyklen einer bestimmten Zeitperiode? Wir schlagen noch einmal nach bei Gabler – aber ohne Erfolg. Was wir finden, ist lediglich der Begriff „internationale Übertragung von Konjunkturschwankungen.“ Dazu lernen wir:

 

„Bei festen Wechselkursen ist der internationale Konjunkturverbund stärker ausgeprägt. Nach der Lokomotivtheorie überträgt sich ein Konjunkturaufschwung (über die Zunahme der Importe) auch auf die Partnerländer. Bei flexiblen Wechselkursen ist der internationale Konjunkturverbund schwach.“

 

Das führt uns schon ein wenig weiter. Auch hier geht es schon wieder um Finanz- und Währungsmärkte: Wenn die Wechselkurse fixiert sind – so wie zum Beispiel früher der Dollar der Fixstern bei der Bewertung von Währungen war, ist heute im europäischen Raum der Euro das starke Band, das „internationale Konjunkturübertragungen“ ermöglicht. Theoretisch heißt das: Wenn es einem oder mehreren Ländern gut geht, profitieren die anderen davon. Im Moment wäre Deutschland hier mal wieder die Lokomotive, von der man erwartet, dass sie die anderen mitzieht. Prima, das haben wir jetzt also auch gelernt.

 

Der europäische Single Market Act

 

Bleibt die Frage: Ergibt dann also das Zusammenrechnen oder Zusammendenken aller Währungsräume eine Weltkonjunktur? Oder zielt das auf einen einzigen großen Weltmarkt ab, der keine nationalen oder regionalen Unterteilungen mehr kennen würde?

 

Das wäre so etwas wie die von der von der EU im Oktober 2010 formulierte Single Market Act-Initiative – also die Forderung nach einem einheitlichen europäischen Markt. Der einheitliche Markt – so sagt die EU – sei der Eckstein für viele Jahrzehnte des Friedens in Europa gewesen. Und so was würde dann bei einem Single Weltmarkt für die ganze Welt gelten? Ja, so wird das der Ackermann wohl gemeint haben. (räusper) Wenn es das gäbe, dann gäbe es sicher auch eine einheitliche Weltkonjunktur. Im Moment ist das aber Schönfärberei. Dass und wie sehr die einzelnen nationalen Konjunkturen heute schon miteinander verflochten sind, merkten wir ja vor allem, als es durch allzu liberale Regelungen und allzu wenig Übernahme von Verantwortung zu einer Weltwirtschaftskrise kam.

 

Ja also, das leuchtet doch ein: Die Großbanken und der globale Finanzmarkt sehen sich ja gerne selbst als den Motor und Ermöglicher einer florierenden Weltkonjunktur. Leider wurden sie auch allzu lange so gesehen. Nachdem ja so lange Zeit keiner widersprochen hatte begann man wirklich das zu glauben. Kann man verstehen.

 

Blöde daran ist nur, dass man das Gefühl nicht mehr loswird, als seien es gerade die großen Player am Finanzmarkt, die aus der Leistungsfähigkeit einzelner Volkswirtschaften einen Spielball von Wetten gemacht haben. Blöde ist auch, dass einer der höchsten Prioritäten der EU bei der Durchsetzung des Single Market Acts folgender ist:

Kleine und mittlere Untermehmen (KMU) haben es oft schwer, notwendige Finanzmittel zu finden. Die kleineren europäischen Unternehmen

werden von potenziellen Investoren kaum wahrgenommen, und die

Voraussetzungen für die Börsennotierung sind komplex.

Umso drolliger ist daran, dass der Mittelstand – und da zu gehören ganz eindeutig die KMU, laut dem EU-Papier über 99 % der europäischen Unternehmen stellt. Sie machen die Konjunktur – und sie leiden auch am meisten unter der immer heftiger werdenden Zyklik der Märkte.

 

Ist es nicht seltsam, dass der Finanzmarkt und das flottierende Kapital als Motoren der Weltkonjunktur sich laut EU ausgerechnet um diese Zielgruppe nicht so ausgeprägt kümmern wie um die eigene Rendite? Sonst würde das ja nicht priorisiert.

 

Umgekehrt: Was wäre zum Beispiel in Deutschland geschehen, wenn wir nicht das dreigliedrige Bankensystem aus Sparkassen, Genossenschaftsbanken und eben Privatbanken hätten? Das wäre sicher nicht besonders lustig gewesen. Denn der Hebel und der Aufwand, den man als Bank mit mittelständischen Unternehmen hat, ist für Großbanken zu klein. Dazu braucht es schon regional orientierte Banken – eben Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Und das ist auch gut so!

 

Was sagen die Sparkassen?

 

Machen wir vor diesem Hintergrund einmal die Gegenprobe: Die Großbanken wollen also möglichst weltweit – wenigstens aber in Europa - einheitliche Regelungen. Deshalb schwärmt auch Josef Ackermann z. B. laut vorbereiteten Redetext zum Neujahrsempfang der Deutschen Bank am 10.1.11 davon:

 

„Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, die EU und vor allem die Wirtschafts- und Währungsunion soweit zu vertiefen, wie es ihren Gründern seinerzeit vorschwebte. Die im vergangenen September von der EU-Kommission vorgestellte Single-Market-Act-Initiative, die bisher noch viel zu wenig beachtet wurde, ist ein gutes Beispiel dafür.“

 

Das ist die eine Seite. Bleibt die Frage: Was halten die Sparkassen davon? Man kann es sich schon fast denken: Von einer allzu einheitlichen Regelung halten sie nicht sehr viel. Wenn die EU ihre Regelungen zum Beispiel bezogen auf Basel III einheitlich und ohne individuelle Umsetzung in nationales Recht realisieren würde, wäre das nicht so gut. So meldete der Deutsche Sparkassen- und Giroverband am 25.2.11:

 

„Bislang wurden die Beschlüsse des Baseler Ausschuss immer als Richtlinie umgesetzt", erläutert Haasis. „Das ist auch absolut sinnvoll, weil die Bankenlandschaft in den verschiedenen Mitgliedstaaten historisch unterschiedlich gewachsen ist. (…) Eine Verordnung gilt unabhängig von den nationalen Gegebenheiten unmittelbar. Das trägt den unterschiedlichen Gegebenheiten in Europa nicht angemessen Rechnung.“

Wir verstehen also: Die Medaille hat durchaus zwei Seiten. Wenn wir das von Ackermann im Munde geführte Wort „Weltkonjunktur“ unhinterfragt selbst verwenden, laufen wir Gefahr, die Rechnung für den falschen Wirt zu machen.

 

Das, was wohl wirklich einmal eine friedliche und kooperierende Weltkonjunktur sein oder werden könnte, ist im Moment nicht zu sehen.

Das einzige, was auf der Welt schon bedenklich reibungslos transnational läuft, sind die Finanzmärkte – und sie haben wenigstens in den letzten Jahren nicht den Anschein gemacht, als hätte sie tatsächlich ein größeres Interesse daran, eine friedliche Welt zu schaffen. Was sie die ganze Zeit explizit und ohne Widerspruch interessierte, war eine möglichst hohe Eigenkapitalrendite. Möglichst hohe Leistung, möglichst geringe Kosten – und möglichst hohe Boni für die Manager. Womit wir beim zweiten Thema wären…

Die Boni-Regelungen

Nachdem die Gier und das allzu deregulierte Zielsystem der Großbanken und auch großer Teile der Politik so deutlich ins Abseits geführt hatten, wird jetzt versucht, das System über veränderte Anreizsysteme zu verbessern oder zu ändern. Boni, so heißt es in der genannten Meldung von Reuters, machen inzwischen nur noch etwa 20 % der Bezahlung von Bankmanagern aus. Vorher seien es 80% gewesen. 80% Bonus – das gab es bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken sicher nicht. Aber naja. Wer liest schon was über Sparkassen und Genossenschaftsbanken in der Zeitung…

Der Vergütungsbericht der Deutschen Bank

Schauen wir uns das wenigstens mal ansatzweise ein wenig genauer bei der Deutschen Bank an. Laut dem „Vergütungsbericht 2009“ der Deutschen Bank erhielten die sog. „risk taker“ – also Mitarbeiter die hohe Risikopositionen begründen können wie z.B. Geschäftsleiter - außerhalb des Vorstandes eine feste Vergütung von 367 Mio. €. Dazu gab es eine variable Vergütung, die sich aus einer Barauszahlung von 921 Mio. € (2/10) und verschobenen Prämien zusammensetzt. 367 Mio plus 921 Mio macht überschlägig knapp 1,3 Mrd Euro. Leider ergibt sich aus dem Bericht nicht, auf wie viele Köpfe sich dieser Betrag verteilt. Immerhin ist im Bericht zu lesen: Gemäß den Anforderungen der BaFin seiner in dieser „RiskTaker-Population“ auch 28 sog. „Geschäftsleiter“ enthalten.

 

Um hier mal ein ansatzweise Bild zu bekommen: Laut Vergütungsbericht belief sich der Personalaufwand im DB-Konzern Im Geschäftsjahr 2009 auf insgesamt 11,310 Mrd. €, Davon wären die genannten 1.3 Mrd also über zehn Prozent. Zum Vergleich: Der Personalaufwand pro Kopf betrug im Jahr 2009 bei der Deutschen Bank 147.000 €. Aber lassen wir die Zahlenspiele und wenden uns dem eigentlichen Problem zu:

 

BaFin-Anforderungen an Vergütungssysteme

 

Wie wir gesehen haben, hat die Deutsche Bank brav und fein säuberlich eine Menge Zahlen aneinander gereiht. Bleibt die Frage: Ist es das, was die BaFin erreichen wollte? Die Antwort auf diese Frage lautet wohl leider: Größtenteils schon!

 

Denn in der BaFin „Konsultation 14/2009 (BA) vom 01.12.2009 – Anforderungen an Vergütungssysteme“ ist in Punkt 4.1 Absatz 2 zu lesen:

 

„Die fixe und die variable Vergütung von Geschäftsleitern und solchen Mitarbeitern, die hohe Risikopositionen begründen können, müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen, so dass einerseits zwar keine signifikante Abhängigkeit von einer variablen Vergütung besteht aber andererseits die variable Vergütung einen wirksamen Verhaltensanreiz setzen kann.“

Offenbar steht die Notwendigkeit von monetären Leistungsanreizen – pardon „Verhaltensanreizen“ - auch für die BaFin außer Frage. Es ist für die BaFin wohl so, wie Paracelsius das schon sagte: Die Dosis macht das Gift…

 

 

Fazit:

 

Es ist schon eine seltsame Dialektik, die sich derzeit entwickelt: Die Großbanken hätten gerne eine einheitliche Regulierung und einen Weltmarkt. Die Sparkassen und Genossenschaftsbanken hätten lieber eine nationale Regelung. Die EU strebt politisch einen Single Market an – hoffen wir, dass sie das aus Gründen von Frieden und Freiheit tut und nicht, weil sie von der Lobby der Großbanken und des Finanzmarkts gesteuert wird.

 

Wo sollen wir als normale Bankkunden uns da nun hinwenden? Müssen wir uns nun wirklich zwischen solide arbeitenden Sparkassen und dem Weltfrieden entscheiden? Wohl nicht. Auch hier gilt wieder, dass man nicht alles, was so geschrieben und in Neujahresreden gesagt wird, einfach so für bare Münze nehmen muss.

 

Es ist unwahrscheinlich, dass Josef Ackermann und Konsorten sich ernsthaft für den Weltfrieden oder die Weltkonjunktur interessieren. Zu oft hat sein Haus – und er ist der Chef der Deutschen Bank – gezeigt, dass Regelungen nur zum Umgehen da sind. Solange die Deutsche Bank noch mit Dark Pools und Short-ETF hantiert, solange sie Kunden mit Wetten wie Zins-Swaps ködert, bei denen nur die Bank gewinnen kann, muss man sich keine Gedanken über gesamtgesellschaftliche Verantwortung machen.

 

Ackermann fordert einheitliche Regelungen, weil solche Regelungen dem Finanzsystem am wenigsten Arbeit machen – und weil nationale Regelungen „möglicherweise“ das Geldverdienen schwerer machen könnten. Nur würde er das nicht so sagen. Er nennt das in seiner Rede zur Jahrespressekonferenz der Deutschen Bank lieber „Regulierungsarbitrage“. Das könne zu Wettbewerbsverzerrungen führen – und gleich wird wieder gedroht:

 

„…werden die Finanzmarktakteure durch zu viel Regulierung überlastet, zieht das unerwünschte Folgen auch für die Realwirtschaft nach sich.“

Also nochmal zusammenfassend: Die Weltwirtschaft basiert laut EU zu 99 % auf dem Mittelstand – kleinen und mittleren Unternehmen. Solange nicht zu erkennen ist, dass das Profil der Großbanken zu dieser Art von Unternehmen passt, sollten wir zu denen stehen, die dazu passen – und die eben bei den Boni und auch bei den Gehältern nicht in Milliarden denken. Das mag verstaubt und langweilig sein. Gesellschaftlich gesehen ist es fürs erste auf jeden Fall die bessere Alternative. Und vielleicht klappt’s ja irgendwann auch mit dem Weltfrieden…

 

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