claim von gute-banken

Ein Hegde-Fund mag nicht mehr. Oder: Stell Dir vor, es ist Markt – und keiner will mehr hin…

Anfang Januar erreichte uns eine wirklich bemerkenswerte Meldung: Ein britischer Hegde-Fonds namens Nevsky Capital hatte seinen Kunden im Dezember geschrieben, dass er seine Tore schließen wird. Und das nicht etwa, weil er schlechte Renditen erwirtschaftet hätte. Sondern weil seine Betreiber es schlicht leid waren, dass die Märkte auch nicht mehr das sind, was sie mal waren.…

Das Schreiben, das der Fonds-Chef seinen Anlegern nach 15 Jahren Betrieb schickte, ist lang. Es enthält eine ausführliche Begründung dafür, dass und warum die Märkte sich auf eine Art verändert haben, die es selbst einem Hedge-Fonds nicht mehr möglich mache, ihre in 20 Jahren erprobte Arbeitsweise fortzusetzen.

Dieses mediale Ereignis ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert:

Erster bemerkenswerter Aspekt: Zweifel an der Effzienz der Märkte

Bemerkenswert ist erstens, der Rundumschlag der Manager, die an allem zweifeln, worauf ihre Denkweise bisher basierte:

Die wichtigsten Elemente ihrer Arbeit, so sagen sie, seien – hier mal grob übersetzt – folgende gewesen:

  • Der zeitnahe Zugang zu  transparenten und wahrheitsgetreuen Informationen über Märkte und Unternehmen (Anm.: das ist quasi die Grundlage der Markteffizienz-Hypothese, die besagt, dass im Markt immer schon alle Informationen eingepreist seien und der Markt deshalb nicht irren könne. Das ist schon ein harsches Urteil.)
  • Logisch nachvollziehbare Entscheidungen durch die Politik
  • Eine ausreichende Klarheit über die Positionen anderer Investoren, mithilfe derer man abschätzen kann, was eingepreist ist und was an Wert dahinter steht.
  • Ein vernünftiges Maß an Preis-Divergenzen zwischen einzelnen Werten und geographischen Märkten inclusive der Möglichkeit, aus den Informationen darüebr Schlüsse ziehen zu können.
  • Einen überschaubares Maß an Abweichungen im Marktverhalten und daraus folgenden Risiken.
  • Ein vernünftiges Maß an Korrelation und Preis zwischen Märkten  über Zeitzonen hinweg.

Genau diese Voraussetzungen seinen aber aus der Sicht der sonst sicherlich nicht zimperlichen Hedge-Fonds-Manager nicht mehr gegeben.

Und darauf hätten sie nun sinngemäß keine Lust mehr.

Und das ist eben das erste Bemerkenswerte an dieser Meldung: Sie stellen die viel beschworene Grundlage der ach so rationalen Markt-Effizienz explizit in Zweifel. Dabei bemängeln sie grundsätzlich die Qualität und Sorgfalt der verfügbaren Informationen, sehen die verlässlich den Märkten dienende Funktion der Geldpolitik nicht mehr. Und nicht zuletzt führe der massiv angewachsene Marktanteil sowohl von „dummen Index Fonds“ als auch von auf undurchsichtigen Algorithmen basierenden Fonds („the recent massive increase in market share of both ‘dumb’ index funds and ‘black box’ algorithmic funds“) dazu, dass der Markt sinngemäß nicht mehr berechenbar sei.

Zweiter bemerkenswerter Aspekt: Der erste Aspekt wird (fast) nicht bemerkt

Dieser letzte Satz führt uns zu einer zweiten bemerkenswerten Erkenntnis:

Das Schreiben der Fonds-Manager an ihre Anleger hat in der deutschsprachigen Presse – wenigstens bei google-Suchen – keine wirklich nennenswerte Resonanz gefunden. (Das Ergebnis unserer google-Suchen war tatsächlich derart schweigsam, dass wir die Existenz dieses Fonds erstmal absichern wollten. Ergebnis: Er ist tatsächlich gelistet und offenbar kein Hoax. )

Neben dem Schweizer Tagesanzeiger („Er kapituliert vor dem Chaos“, 12.1.16) und einigen Insider-Medien bringt lediglich der TV- Sender N–TV einen kurzen Bericht – in dem er ganz nonchalant das in dem Original-Schreiben mehrfach verwendete Doppel aus „Index- und Algorithmik-Fonds“ auf ein „von Computer-Algorithmen bestimmtes Marktumfeld“ reduziert. Eine offene Kritik an Index-Fonds als Teil des Problems scheint nicht gewünscht gewesen zu sein… (Über dieses Thema hatten wir uns hie und da auch schon ausgelassen).

Was lehrt uns dieses jetzt?

Um den „tieferen Sinn“ dieses Rückzugs eines Hedge-Fonds aus dem Markt zu sehen, muss man wohl selbst einen Schritt „zurück treten“. Wir lernen, lesen und schreiben immer wieder von der Rationalität der Märkte und deren Glaube an ihre eigene Rationalität, aus der heraus sie so lange alles, was sie wollten, begründen konnten. Und das auch taten.

Und nun? Nun scheint sich diese Rationalität selbst überholt zu haben. Mit dem Nevsky Capital Fonds zieht sich der erste nicht aus Not, sondern aus Überzeugung zurück.

Ganz ehrlich: Wir hatten an diese Rationalität eh nie wirklich glauben können… und das nicht nur aus philosophischen Gründen…

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